Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
öffnete die Tür, wobei das Siegel brach.
Die Zofe war erstaunlich flink. Sie war barfuß und huschte nahezu lautlos vor ihm durch die Gänge des Schlosses. In Windeseile hatten sie einen anderen Schlossflügel erreicht und bewegten sich auf das Schlafgemach der Marquise zu.
»Was hat Eure Herrin denn so verschreckt?«, fragte Teuber in flüsterndem Ton. In diesem Teil des Schlosses befanden sich auch die Gemächer des Landgrafen und des Ober-Hofmarschalls, und er hatte nicht vor, die beiden ohne ersichtlichen Grund zu wecken. Es war eine der ersten Regeln, die eine Nachtwache lernte: Störe niemals den Schlaf der Herrschaften.
»Sie wird es Euch selbst berichten«, antwortete die Zofe leise.
Teuber schaute auf ihr Nachthemd, das leicht durchsichtig war und einen Blick auf die Silhouette ihres Körpers erlaubte. Dieser Anblick würde ihn noch durch so manche Nacht begleiten. Er stolperte über eine der Teppichkanten, fing sich jedoch gleich wieder.
»Vielleicht sollten wir Verstärkung anfordern!«, flüsterte er.
Die Zofe blieb abrupt stehen und schaute ihn mit ihren großen blauen Augen an. Er hatte Mühe, rechtzeitig zum Stehen zu kommen, um nicht in sie hineinzulaufen.
»Ihr seid doch nicht etwa feige?«, fragte die Zofe mit verwunderter Stimme.
Er drückte seine Brust heraus und nahm seine Muskete in beide Hände, als gelte es, zu salutieren. »Selbstverständlich nicht!«, entgegnete er empört und lauter als beabsichtigt.
Die Zofe legte sogleich ihren Zeigefinger auf ihren Mund. »Pssst! Oder wollt Ihr das ganze Schloss aufwecken?«
»Selbstverständlich nicht!«, flüsterte Teuber.
»Dann kommt weiter!«, befahl die Zofe und steuerte die Tür zum Gemach der Marquise an.
Gärtner stand mit offenem Mund in der Tür.
In jeder Hand hielt er eine der Flügeltüren und starrte auf das Rad vor ihm. Es drehte sich. Nicht gemächlich, sondern genauso schnell wie vor nun bald dreißig Tagen, als er es das letzte Mal gesehen hatte. »Das ist doch nicht möglich …«, stammelte er.
Von hinten schob sich der Kopf von Ruprecht durch seine Achsel. »Was, mein Herr? Was kann nicht sein?«
Gärtner kam zur Besinnung und verpasste dem Burschen einen Schlag auf den Hinterkopf. »Entzünde zwei Kerzen. Sammle dann die zerbrochenen Siegelstücke vom Boden auf. Und bereite schon einmal den frischen Siegellack vor!«
Ruprecht tat, wie ihm geheißen, und gab Gärtner eine Kerze ab, während er die andere mit einigen Tropfen Kerzenwachs vor sich auf dem Boden fixierte. Dann bückte er sich und suchte auf allen vieren nach den Resten des erbrochenen Siegels.
Die Zofe klopfte zaghaft mit den Fingerspitzen an die Tür. Nichts geschah. Sie klopfte erneut.
»Soll ich hineingehen?«, schlug Teuber aufgeregt vor. »Vielleicht ist etwas passiert!«
»Untersteht Euch!«, fuhr die Zofe ihn an und warf ihm einen tadelnden Blick zu.
Sie öffnete vorsichtig die Tür und schlüpfte durch einen schmalen Spalt hinein. »Ihr wartet hier!«, befahl sie Teuber und schloss die Tür hinter sich.
Teuber stand vor der Tür und wartete. Nervös umklammerte er seine Muskete und trat von einem Bein aufs andere. Was nun, wenn wirklich Eindringlinge im Schloss waren? Er hatte keine große Lust, in einen Kampf verwickelt zu werden. Die Minuten verstrichen, aber nichts geschah. Er legte das Ohr an die Tür und lauschte. Nichts war zu hören. Was, wenn der Eindringling die Marquise und die Zofe niedergemacht hatte? Er legte seine Hand auf die Türklinke. Im selben Augenblick wurde die Tür geöffnet. Vor ihm stand erneut die Zofe.
»Die Marquise lässt Euch ausrichten, dass es sich erledigt hat. Es war ein falscher Alarm. Sie dankt für Euer selbstloses und mutiges Handeln!«
Irritiert blickte er auf die Zofe, die ihn mit ernstem Gesicht anschaute. »Was ist mit den Eindringlingen?«, fragte er und versuchte an der Zofe vorbei in das Schlafgemach der Marquise zu schauen.
»Welche Eindringlinge?«, erwiderte die Zofe erstaunt.
»Die Eindringlinge, deretwegen Ihr mich gerufen habt!«, erklärte Teuber empört.
»Wie gesagt, es ist nichts, und nun geht!«, entgegnete die Zofe kühl und schloss die Tür.
Teuber blieb einen Augenblick verstört stehen, dann machte er sich auf den Weg zurück zum Korridor, den er zu bewachen hatte. In dem Augenblick, als er wider Erwarten keinen Krug mit Bier vor der Küche vorgefunden hatte, war ihm schon klar gewesen, dass er keine gute Nacht haben würde.
Gärtner schritt mit der Kerze in der Hand auf
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