Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
…«
Orffyreus trat in den Teil des Raumes, der durch das hereinfallende Sonnenlicht erhellt war. Seine Gesichtszüge wirkten wie aus Wachs, die Augen waren stark gerötet und hasserfüllt. »Ich habe jedes deiner Worte verstanden, und sie erklären alles.«
Er schritt auf Anne Rosine zu. Sie drehte sich Hilfe suchend um und stieß dabei gegen eine der Puderdosen, die umkippte. Eine feine Wolke aus grauem Pulver stieg empor und wurde im Schein eines Sonnenstrahls in Tausende und Abertausende glitzernde Partikel zerteilt.
»Ich habe es aus Liebe getan!«, schluchzte sie.
Dicht vor ihr blieb Orffyreus stehen und hob drohend seine zitternde Hand. Anne Rosine riss die Arme schützend über ihren Kopf und begann zu wimmern.
»Ich habe es aus Liebe getan«, wiederholte sie.
Orffyreus verharrte in der Bewegung. »Sag das nicht. Sag das nicht!« Kraftlos ließ er seine Hand sinken und sackte in sich zusammen. »Sag nicht, dass du es meinetwegen getan hast!« Seine Stimme klang fast bettelnd.
Anne Rosine streckte vorsichtig ihre Hand aus und berührte Orffyreus an der Schläfe. »Seid doch nicht so traurig«, flüsterte sie. »Es bricht mir das Herz. Ihr wolltet es doch eigentlich auch! Erinnert Ihr Euch an jenen Nachmittag im Park, bevor wir in den Irrgarten gingen. Ihr sagtet, dass eine Ehefrau erst sterben müsse, bevor ein Ehemann sich zu seiner Mätresse bekennen kann!« Anne Rosine schluchzte. Sie senkte ihre Hand und legte sie auf Orffyreus’ Brust. »Euer Herz wollte, dass ich es tue. Das habe ich gefühlt!«
Mit einer plötzlichen Bewegung packte Orffyreus ihren Arm und zerrte sie in die Mitte des Raumes. Als er den Arm losließ, stürzte Anne Rosine rücklings auf den Boden. Mit zwei großen Schritten war Orffyreus bei ihr und zog sie an den Haaren hoch. Sie schrie vor Schmerzen und versuchte vergeblich, den festen Griff mit ihren Händen zu lockern.
Orffyreus zog sie an ihren Haaren zur Tür. »Nicht nur, dass du sie vergiftet hast – auf dem Sterbebett erzählte Barbara, dass du ihr von uns erzählt und sie erpresst hast, damit sie es all die Jahre duldete!«
Anne Rosine kreischte vor Schmerzen. »Sie war nicht die Heilige, für die Ihr sie haltet!«, schrie sie, während sie versuchte, mit Orffyreus Schritt zu halten, um den Zug an ihren Haaren zu vermindern.
»Schweig!«
»Sie hat ein Baby geboren und getötet, bevor Ihr sie kanntet«, rief die Magd.
Orffyreus hielt inne und ließ sie los. »Nun verleumdest du sie noch, nachdem sie gestorben ist! Genügt dir ihr Tod nicht, du Giftnatter?«
»Es ist die Wahrheit!«, entgegnete die Magd weinend. »Sie war eine Kindsmörderin!«
Orffyreus ergriff einen Kerzenständer, der neben ihm stand. »Du bist die einzige Mörderin in diesem Raum!«, rief er und holte aus. Die Magd ergriff in Panik die Türklinke.
»Den Ring!«, brüllte Orffyreus.
Die Magd zog den Ring von ihrem Finger und warf ihn Orffyreus entgegen. Das einfache Schmuckstück fiel auf den Boden und rollte über die Holzdielen.
»Das werdet Ihr bereuen!«, schluchzte Anne Rosine, öffnete die Tür und rettete sich in den Flur.
Orffyreus ließ den Kerzenständer fallen und bückte sich, um den Ring aufzuheben. Er sah das Schmuckstück nicht sofort und musste es suchen. Endlich fand er es unter einem der Stühle. Mit dem Ring ging er zum aufgebahrten Leichnam seiner Frau. Zärtlich nahm er ihre Hand und steckte vorsichtig den Ring wieder auf den Finger. Dann legte er ihre beiden Hände übereinander auf dem Schoß. Ihr Gesicht wirkte friedlich, als schliefe sie bloß. Er wandte sich um und griff nach einem Lappen, der zwischen den Schminksachen lag. Hastig tröpfelte er aus einer langhalsigen Flasche eine durchsichtige Flüssigkeit, die den starken Geruch von Weinbrand verströmte, auf das Tuch.
Dann beugte er sich über Barbara und begann unter Tränen, die Schminke aus ihrem Gesicht zu entfernen.
125
Sergeij folgte Adams zu dessen Hotelzimmer. Adams öffnete die Tür mit seiner Magnetkarte.
Sergeij blieb stehen und fasste sich an die Brusttasche. »Ich habe keine Zigaretten mehr«, sagte er. »Ich besorge kurz welche aus meinem Zimmer und bin gleich wieder da.«
Adams nickte und verschwand in seinem Zimmer.
Sergeij ging zwei Türen weiter und nestelte die kleine Plastikkarte, die er beim Einchecken an der Rezeption erhalten hatte, aus seiner Hosentasche. Er öffnete die Tür und betrat sein Zimmer. Sergeij legte die Karte auf den Schreibtisch und nahm sein Handy in die Hand.
Weitere Kostenlose Bücher