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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Bürgermeister zu, blieb vor ihm stehen und blickte ihn mit funkelnden Augen an. »Eure Bürger will ich nicht!«, verkündete er mit bebender Stimme. »Ihr könnt Euch Eure Bürger in Euren dicken Hintern schieben! Jeden einzelnen!«
    Wallner öffnete Mund und Augen und starrte sein Gegenüber erschrocken an, doch eine Erwiderung kam ihm nicht über die Lippen. Orffyreus nutzte die Bestürzung des Bürgermeisters, um ihn am Revers zu packen und mit einem Ruck vom Sessel hochzureißen. Dann schleuderte er ihn durch den Raum. Wie ein Sack Mehl stürzte der Bürgermeister zu Boden und stieß einen spitzen Schrei aus.
    »Ihr seid verrückt, dafür werdet Ihr hängen!«, rief er und versuchte auf allen vieren davonzukrabbeln.
    Orffyreus setzte ihm nach, packte sein linkes Bein am Knöchel und schleifte ihn zur Haustür. Der Bürgermeister versuchte vergeblich, sich an Möbeln festzuhalten. Seine Perücke verfing sich an einem hervorstehenden Dielennagel und blieb dort hängen. Kurz gelang es Wallner, sich am Türrahmen festzukrallen, doch Orffyreus löste seinen Griff mit einem heftigen Fußtritt gegen die Finger. Der Bürgermeister schrie auf vor Schmerz. Anne Rosine, die aufgrund des Lärms herbeigeeilt war, beobachtete das Schauspiel entgeistert von der Treppe aus.
    Orffyreus öffnete die Tür, brachte den Bürgermeister mit einem Griff an seinen speckigen Hals auf die Beine und beförderte ihn mit einem kräftigen Tritt in sein Hinterteil aus dem Haus. Wallner fiel nach vorne und überschlug sich mit einem ungewollten Purzelbaum, um schließlich wimmernd im Staub liegen zu bleiben.
    »Ich pfeife auf Eure Bürger, und ich pfeife auf Euch! Und auf den Herzog!« Orffyreus schleuderte die Tür ins Schloss, nur um sie sogleich wieder aufzureißen und die Perücke des Bürgermeisters hinauszuwerfen, welche die Magd aufgehoben und ihm gebracht hatte.
    »Das habt Ihr noch vergessen!«, brüllte er hinterher und verriegelte die Tür; als würde dies nicht genügen, lehnte er sich zudem schwer atmend mit dem Rücken gegen sie. Nach kurzer Besinnung rief er, so laut er konnte: »Alles packen, wir müssen hier sofort weg! Beeilung!«
    Keine zwei Stunden später preschten Orffyreus, seine Familie und seine Bediensteten mit zwei voll beladenen Kutschen los. Zurück blieb das in viele Trümmer zerschlagene Rad.
    Gerade als die Kutscher, die wie wild auf die Pferde einschlugen, an die Abzweigung zum Postweg gelangten, holten die berittenen, vom Bürgermeister entsandten Soldaten sie ein und versperrten ihnen den Weg. Die Kutscher hatten alle Mühe, die Tiere rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Kaum waren sie von ihren Pferden gestiegen, rissen die Soldaten die Kutschentüren auf und zogen Orffyreus unter dem lauten Protest seiner neben ihm sitzenden Frau heraus. Orffyreus wehrte sich heftig und schlug einen der Häscher nieder, einem anderen versetzte er einen Tritt in den Bauch. Gerade als er davonrennen wollte, warfen sich vier Soldaten auf ihn, rissen ihn zu Boden und banden ihm die Hände auf den Rücken. Schließlich wurde er, wild strampelnd, auf die Ladefläche eines offenen Wagens geworfen, der sich augenblicklich in Bewegung setzte und den Gefangenen in Begleitung der Soldaten nach Merseburg brachte.
    Dort wartete der Bürgermeister bereits auf Nachricht.

39
    »Wussten Sie, dass alle Krustentiere ein Leben lang wachsen?«, fragte der Mann und schaute über seine Lesebrille hinweg auf uns hinab.
    Er hatte dichtes graues Haar. Sein Gesicht wirkte wie das eines Landarbeiters, der sein Leben in der Sonne verbracht hat: Es war dunkelbraun und erinnerte mich an geschrumpftes Leder. Obwohl er mit Sicherheit jenseits der sechzig war, machte er auf mich einen sehr vitalen Eindruck. Aus einem Fläschchen gab er ein paar Tropfen in einen Glaswürfel. Julia und ich saßen einige Meter entfernt auf einem gemütlichen Sofa aus Leder und schauten auf die Bewohner des kleinen Aquariums. Als Antwort auf seine Frage schüttelten wir den Kopf.
    »Ihr Panzer wird daher regelmäßig zu klein, und die Garnele muss sich von ihm befreien, damit sich ein neuer, passender Panzer bilden kann«, wusste der Mann zu berichten. »In dieser Zeit der Häutung, wenn der alte Panzer fort ist und sich der neue noch nicht vollständig ausgebildet hat, ist der Körper der Garnele sehr weich und ungeschützt. Sie zieht sich dann in ein Versteck zurück, bis der neue Panzer ausgehärtet ist.« Er hielt uns das Fläschchen entgegen. »Das sind Vitamine und

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