Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
gelang es mir, sie zu bewegen. Julia folgte mir und begann mir zu helfen.
»Was hast du vor? Du machst die Vitrine und den Inhalt kaputt!«
»Ich weiß«, antwortete ich und grinste sie an. Gemeinsam zogen wir die Vitrine aus dem Raum. An der Türschwelle blieben wir kurz hängen. Danach konnten wir sie leicht durch den Gang bis hin zum Treppenabsatz ziehen.
»Komm, jetzt die anderen Sachen!«, rief ich und machte mich auf, um weitere Dinge zu holen.
»Erst wenn du mir verrätst, was du vorhast!«, forderte Julia und blieb mit verschränkten Armen neben der Vitrine stehen.
»Ich stärke unsere Verhandlungsposition.« Als Julia mich verwundert ansah, erklärte ich: »Unsere Verhandlungsposition dafür, dass der Mann da oben uns herauslässt oder zumindest die Tür öffnet.«
»Und wie stellst du das genau an?«, wollte sie wissen.
»Wir nehmen eine Geisel«, antworte ich. »Und zwar Orffyreus. Zumindest seine Sachen und Schriften hier. Was immer der Alte da oben plant – er hat den Fehler gemacht, uns hier unten mit seinem Lebenswerk allein zu lassen. Und das werden wir jetzt gleich zerstören, wenn er unsere Rufe nicht hört!«
Julia stand mit offenem Mund vor mir. »Du willst das hier alles zerstören?«
»Na ja, besser dieses Zeug als wir!«
Nun wandelte sich ihr Gesichtsausdruck in vorsichtige Zuversicht. »Das könnte funktionieren.«
»Es wird!«, beteuerte ich.
Gemeinsam schleppten wir eine weitere Vitrine und einige Kisten zur Treppe, und zu guter Letzt trug ich noch zwei Ölgemälde herbei. Auf dem einen war ein Schloss zu erkennen, daneben eine kleine Maschine. Das andere Bild war offenbar ein Porträt von Orffyreus, das ihn wieder mit der langen Allongeperücke zeigte, ganz ähnlich dem in der Toreinfahrt.
»Wir müssen uns noch überlegen, was wir tun, wenn er tatsächlich die Tür öffnet«, sagte ich. »Es könnte sein, dass er bewaffnet ist oder nicht alleine kommt.«
Julia, die vom Tragen erschöpft war, stand auf der ersten Stufe und hatte die Hände in die Hüften gestützt. Ihr Blick wanderte über die beiden Vitrinen. Die Gegenstände darin waren heillos durcheinandergepurzelt. Dann schaute Sie hinauf zur Tür. Sie bückte sich und entnahm der Vitrine etwas.
»Sorg du dafür, dass er diese Tür aufmacht, dann sorg ich dafür, dass wir hier herauskommen«, versprach sie.
Gemeinsam eilten wir ein weiteres Mal zurück in den Raum mit den Ausstellungsstücken. Ich schaute mich um und packte den Sekretär.
»Soll ich dir helfen?«, fragte Julia.
Ich schüttelte den Kopf. Der Sekretär war erstaunlich leicht, und ich konnte ihn problemlos alleine tragen. Julia eilte zu dem Regal. Sie nahm eine Kiste, öffnete sie und entleerte deren Inhalt mitten im Raum. Dann nahm sie die nächste Kiste und machte es mit deren Inhalt ebenso. Auf dem Fußboden entstand so ein kleiner Berg aus Büchern und Papier.
Ich war an der Tür stehen geblieben und schaute erstaunt zu. »Was wird das denn?«
»Du wolltest doch etwas zerstören«, antwortete Julia. »Dann aber richtig!«
Ich sah, dass sie Tränen in den Augen hatte.
»Hast du Angst?«, fragte ich.
Julia schüttelte stumm den Kopf und zeigte auf den Haufen alter Bücher und Briefe vor ihren Füßen.
Ich verstand. Laut ächzend schleppte ich den alten Sekretär zur Treppe.
46
Merseburg, 1715
»Mein Holzschwert ist zerbrochen. Wann kommt Vater, um mir ein neues zu schnitzen?«, fragte Jonas seine Mutter.
Er zeigte die Spielzeugwaffe, an der ein Teil des Knaufs fehlte. Der Kleine war nun sechs Jahre alt und seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten: die gleichen blauen Augen und eine ebenso perfekt geformte Nase. Elias war zwei Jahre älter und das Ebenbild seines Bruders. David, mit knapp zehn Jahren der Älteste, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit seinen beiden Brüdern. Während sie dunkelhaarig waren, hatte er das blonde Haar seiner Mutter geerbt. Seine Augen waren zudem tiefbraun.
»Dein Vater kommt bald zurück, Jonas«, antwortete Barbara und schaute sich suchend um. Schließlich ergriff sie einen kleinen Ast, der von dem Baum gefallen war, unter dem sie saßen. »Nimm so lange diesen Stock als Dolch. Und nun lauf zurück zu deinen Brüdern!«
Jonas betrachtete den Stock erst abschätzig, dann hellte seine Miene sich auf, und er rannte hinüber zu Elias und David.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Barbara und wandte sich wieder der Magd zu, die auf der Decke neben ihr saß.
»Ihr sagtet, dass Ihr in Sorge um Euren Gemahl
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