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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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ohne dass wir sprachen. Dann erhob ich mich und ließ Julia kurz allein. Ich suchte noch einmal den gesamten Keller ab, in der Hoffnung, dass wir einen versteckten Ausgang übersehen hatten. Ich ging in jede der nicht abgeschlossenen Zellen, rückte das dort gelagerte Gerümpel hin und her, fand aber keinen weiteren Ausgang. Anschließend stieg ich zur Tür und schrie erneut um Hilfe, doch meine Rufe blieben unbeantwortet. Erschöpft ging ich zu Julia zurück. Sie kauerte immer noch an derselben Stelle wie zuvor. An ihren Augen sah ich, dass sie geweint hatte.
    »Glaubst du jetzt immer noch, dass er uns nur vergessen hat?«, fragte sie mich mit bangem Blick.
    Ich zuckte mit den Schultern. Die Antwort lautete natürlich »Nein«, ich scheute mich aber davor, sie auszusprechen.
    »Was, wenn er auch zu diesen Typen gehört, die uns verfolgen?«, mutmaßte Julia.
    Ich schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Er schien so nett zu sein. Und wieso sollte ausgerechnet ein alter Mann hier in Bad Karlshafen mit denen in Verbindung stehen?«
    »Vielleicht, weil er über die größte Orffyreus-Sammlung in Deutschland oder auf der ganzen Welt verfügt«, erwiderte Julia und fügte einen Moment später mit brüchiger Stimme hinzu: »Oder vielleicht ist er auch einfach nur verrückt und hat sonst was mit uns vor!«
    Ich setzte mich wieder neben sie. Julia hielt die Luft an und stieß sie dann laut pustend aus. In meinem Kopf kreisten derweil die Gedanken.
    »Ein Keller ohne Fenster«, sagte ich wie zu mir selbst. »Sicher ist, dass es nur einen Ausgang gibt, und durch den kommen wir nicht raus, weil er von außen versperrt ist.«
    »Sehr richtig«, stimmte Julia mir zu.
    Sanft streichelte ich ihren Arm. Sie drückte sich noch stärker an mich. Wäre die Situation, in der wir uns befanden, nicht so beängstigend gewesen, hätte ich diese Nähe genossen. Wir saßen so einige Minuten zusammen; dann beschloss ich, dass wir unbedingt etwas unternehmen mussten.
    »Wenn es nur einen Ausgang gibt, dann müssen wir eben dort wieder herauskommen«, erklärte ich.
    »Und wie, wenn die Tür abgeschlossen ist und wir sie nicht öffnen können?«, fragte Julia.
    »Es muss sie jemand von außen öffnen«, erwiderte ich.
    »Und wie willst du Scheffler dazu bringen, uns rauszulassen? Offensichtlich will er das ja gerade nicht.«
    Ich antwortete nicht. Unsere Möglichkeiten waren auf jeden Fall begrenzt. Wir waren hier unten gefangen. Der Einzige, der uns herauslassen konnte, befand sich auf der anderen Seite der Kellertür. Mit körperlicher Gewalt schien man nichts ausrichten zu können.
    Während meines Studiums hatte ich eine Unterrichtseinheit zum Thema Verhandlungstechniken besucht, und zwar bei einem Gastdozenten aus den USA. Er lehrte an der Harvard-Universität und hatte mehrere Bücher verfasst. Ein Lehrbeispiel war, dass man nachts allein durch den Park ging, jemand einem von hinten eine Pistole in den Rücken drückte und Geld forderte. »Ist dies eine Verhandlungssituation?«, fragte der Dozent. Die richtige Antwort lautete: »Nein.« Selbst wenn man Techniken zur Selbstverteidigung beherrschte, war die Verhandlungsmacht in dieser Situation so ungleich verteilt, dass man keinerlei Ansatzpunkt besaß, um Verhandlungen überhaupt zu beginnen. »Es sei denn«, erklärte der Dozent etwas scherzhaft, »Sie sagen zu dem Räuber: Erschieß mich ruhig, dann findest du den Schatz im Park aber niemals. Was denkst du, warum ich nachts im Park unterwegs bin?« Der Trick bei Verhandlungen bestand also darin, im Vorfeld seine Verhandlungsmacht zu verstärken. Hierfür musste man einerseits eine zutreffende Analyse der Verhandlungssituation durchführen und alle zur Verfügung stehenden Informationen über den Verhandlungspartner sammeln, andererseits die eigenen Stärken und die Schwächen des Gegners betonen.
    Wir saßen hier zusammen mit der Orffyreus-Sammlung unseres Gastgebers im Keller fest. Mein Blick wanderte von den Ölgemälden und Vitrinen über die Bücher und Briefe bis hin zur Eisentür: Die hier aufbewahrten Objekte waren gut gegen Diebstahl gesichert, nun aber für uns aufgeschlossen. Ich dachte an Schefflers Mahnung, sehr vorsichtig mit den Gegenständen umzugehen. Offenbar hatte der Hausherr große Sorge vor Verlust und Zerstörung seiner Schatzsammlung.
    »Das ist es!«, schrie ich. »Komm, hilf mir!«
    Ich sprang auf, rannte zu einer der Vitrinen und begann an ihr zu ziehen. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten

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