Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Chance zu haben, das Preisgeld zu erhalten.«
»Schon gut, schon gut. Reitet nicht auf, mein Freund. Ich schaue es mir an! Und nun geht und lasst mich meine Arbeit tun!«
»Sehr wohl, Sir«, sagte der Mann und verließ in gebückter Haltung das Zimmer.
Das Board of Longitude war vom britischen Parlament eingesetzt worden, um das ausgelobte Preisgeld zur Lösung des Problems der Längenbestimmung auf dem offenen Meer zu verwalten und die eingereichten Bewerbungen zu prüfen. Wie selbstverständlich war Newton als Präsident der Royal Society zum Vorsitzenden der Kommission ernannt worden. Erleichtert wurde diese Entscheidung in den Reihen der Parlamentarier dadurch, dass der alte Wissenschaftler mehr als einen der Abgeordneten zu seinem großen Bekanntenkreis zählte. Für Newton spielte es eine nicht unerhebliche Rolle, dass der Vorsitz mit einem Betrag in Höhe von zehntausend Pfund honoriert wurde, wovon er gern bereit war, einen Teil an seine Bekannten abzugeben – vor allem an jene, die Parlamentarier waren.
Die übrigen Mitglieder des Boards , allesamt bedeutende Astronomen und Physiker, arbeiteten ohne Honorar. Sie hatten die ehrenvolle Aufgabe übernommen, Bewerbungen um das Preisgeld entgegenzunehmen, zu katalogisieren und einer Vorprüfung zu unterziehen. Die auf diese Art und Weise ausgewählten Vorschläge wurden dem Vorsitzenden vorgelegt. Newton hatte bereits über ein Dutzend dieser Bewerbungen aus aller Welt gesichtet und von Mal zu Mal die Hoffnung verloren, dabei dem Ergebnis eines schlaueren Kopfes als dem seinigen zu begegnen.
Müde und lustlos öffnete er nun das Kuvert. In schön geschwungenen Lettern stand dort der Titel der Schrift. Angefügt waren einige Seiten einer Beschreibung zur vorgestellten Idee der Längenbestimmung auf hoher See und schließlich einige Zeichnungen. Newton suchte nach dem Verfasser der Lösung. Er fand dessen Namen gleich auf der ersten Seite in lateinischer Sprache: »Orffyreus« stand dort in perfekter Kalligrafie. Newton schlug mit der rechten Hand auf den Tisch. Der Name war zu einzigartig, um zweimal vorzukommen.
Nicht ohne Aufregung blätterte er um und überflog die nächsten Seiten. Dann schüttelte er den Kopf und legte die Papiere nieder. Schwerfällig erhob er sich von seinem Stuhl, stützte sich auf dem Schreibtisch auf und schlurfte schweren Schrittes zu der Tür, die sein Arbeitszimmer vom Rest des Apartments abtrennte. Er drehte den Schlüssel im Schloss um und versicherte sich, dass die Tür tatsächlich sicher verschlossen war.
Mühsam begab er sich zum Fenster und öffnete es. Auf dem Boden unter dem Fenster stand ein Topf, der in seiner Form einer übergroßen Sauciere glich, wie sie zum Servieren von Soßen benutzt wurde. Das Gefäß war ganz aus weißem Porzellan gearbeitet. Der Weg zu den Außentoiletten war dem alten Mann zu weit geworden, insbesondere seitdem ihn Blasensteine plagten. Zu seinem Glück waren in der Damenwelt diese tragbaren pot de chambre oval zur unkomplizierten Verrichtung der Notdurft in Mode gekommen. Obgleich er keine Dame war, schien diese Erfindung wie geschaffen für den fußlahmen Wissenschaftler. Wann immer er nicht in den Kamin urinierte, nutzte er dieses Gefäß, um sich zu erleichtern.
Nun leerte er den Topf, indem er ihn mit dem Inhalt aus dem Fenster hielt und dann umdrehte. Die Schwerkraft war wahllos in Bezug auf die Art der Masse, die sie nach unten fallen ließ. Dies wusste keiner besser als er. Kaum war das Behältnis leer, trug er es hinüber zu seinem Arbeitsplatz und stellte es mitten auf der Schreibfläche ab. Nachdem er den Schreibtisch abermals umrundet und seinen Stuhl wieder erreicht hatte, ergriff er die soeben eingereichte Bewerbung.
Er las erneut den Namen auf der ersten Seite und schüttelte den Kopf. Dieser Mühlenbauer brachte ihn zur Weißglut. Immer noch nicht war es gelungen, ihn und seine Erfindung des Perpetuum mobile zu stoppen. Er stieß ein höhnisches Lachen aus, als er daran dachte, dass der Deutsche tatsächlich glaubte, er würde ihn mit einem Preisgeld ausstatten. Eher würde er ein Kopfgeld auf den Kerl aussetzen. Vielleicht war das sogar eine gute Idee, den Erfinder finanziell zu ruinieren. Er dachte kurz über den Geistesblitz nach und beschloss, diese Sache mit Willem zu besprechen.
Seine von Altersflecken übersäten Hände falteten die Bewerbung erstaunlich geschickt zusammen und steckten sie zurück in das Kuvert. Den Umschlag legte er in das Gefäß vor sich. Dann
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