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Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Amyrlin-Sitz –, aber, beim Licht, sie würde sie vermissen.
    Tamras Wünschen entsprechend wurde ihre Leiche von Strömen aus Feuer verschlungen, und ihre Asche wurde von Schwestern der Ajah auf dem Gelände der Weißen Burg verstreut, aus der sie erhoben worden war, die Ajah, zu der sie im Tode zurückgekehrt war. Moiraine war nicht die Einzige, die weinte. Die Selbstbeherrschung der Aes Sedai konnte einen nicht gegen alle Schicksalsschläge wappnen.
    Sie trug das beschämende Kleid den Rest des Tages, und in der Nacht verbrannte sie es. Sie wäre nicht in der Lage gewesen, es noch einmal zu betrachten, ohne sich an alles erinnern zu müssen.
    Bis eine neue Amyrlin erhoben wurde, herrschte der Saal der Burg über die Burg, aber es gab ständig schärfer werdende Maßregeln im Gesetz, die dafür sorgten, dass er sich nicht zu viel Zeit ließ, und am Abend nach der Bestattung hatte man Sierin Vayu von den Grauen erhoben. Von einer Amyrlin erwartete man, dass sie an dem Tag, an dem sie Stola und Stab aufnahm, Milde walten ließ und Bußen aussetzte. Von Sierin kam nichts dergleichen, und innerhalb einer halben Woche war jeder Schreiber ohne Zeugnis entlassen worden, angeblich wegen Flirtens mit Novizinnen oder Aufgenommenen oder »unpassenden oder anzüglichen Blicken«, was nun alles hätte bedeuten können. Es mussten sogar Männer gehen, die so alt waren, dass ihre Enkel Kinder hatten, und einige, die überhaupt nichts für Frauen übrig hatten. Aber keiner kommentierte das. Niemand wagte es, nicht, wenn es Sierin hätte mitbekommen können.
    Drei Schwestern wurden für ein Jahr aus Tar Valon verbannt, und zweimal war Moiraine gezwungen, sich zu den anderen im Verräterhof zu gesellen, um zuzusehen, wie eine Aes Sedai nackt ausgezogen und ans Dreieck geschnallt wurde, um so lange mit Ruten geschlagen zu werden, bis sie schrie. Ein Gewebe, das eine schimmernde Kuppel über dem gepflasterten Hof bildete, ließ die Schreie nicht nach außen dringen, bis sie Moiraine zu überwältigen drohten und Gedanken und den Atem selbst stocken ließen. Zum ersten Mal seit einer Woche verlor sie die Konzentration und zitterte in der Kälte. Und nicht nur vor Kälte. Sie fürchtete, dass ihr diese Schreie noch lange Zeit in den Ohren klingen würden, im Wachen wie im Schlaf. Sierin sah und hörte völlig unbewegt zu.
    Natürlich wählte eine neue Amyrlin ihre eigene Bewahrerin der Chroniken und konnte auch eine neue Herrin der Novizinnen wählen, wenn sie es wollte. Sierin hatte beides getan. Seltsamerweise war Amira, die stämmige Frau, deren lange perlengeschmückte Zöpfe nur so flogen, während sie emsig mit der Rute zuschlug, eine Rote, genau wie Duhara, die neue Bewahrerin. Weder Gesetz noch Brauch schrieben vor, dass die Bewahrerin oder die Herrin aus der ehemaligen Ajah der Amyrlin kommen mussten, aber es wurde erwartet. Gerüchte berichteten von beträchtlicher Überraschung, als Sierin die Roten den Grauen vorzog. Moiraine konnte sich nicht vorstellen, dass welche von Tamras Sucherinnen Sierin von der Jagd nach dem Jungen erzählen würden.
    Am Tag nach der zweiten Prügelstrafe betrat sie das Vorzimmer zum Arbeitszimmer der Amyrlin, in dem Duhara stocksteif hinter ihrem Schreibtisch saß, eine handbreite rote Stola um den Hals. Ihr dunkles Kleid war so sehr mit Rot geschlitzt, dass es genauso gut direkt in Rot genäht hätte sein können. Als Domani war Duhara schlank und schön, obwohl sie fast anderthalb Handbreit größer als Moiraine war, aber die voll geschwungenen Lippen wiesen einen gemeinen Zug auf, und ihre Blicke hielten nach Fehlern Ausschau. Moiraine rief sich ins Gedächtnis, dass Duhara ohne die Stola der Bewahrerin hätte springen müssen, wenn sie mit den Fingern geschnippt hätte. Als sie den Mund öffnete, wurde die Tür zum Arbeitszimmer der Amyrlin aufgestoßen, und Sierin kam mit einem Blatt Papier in der Hand herausgestürmt.
    »Duhara, Ihr müsst … was wollt Ihr denn hier?« Diese letzten Worte wurden Moiraine entgegengebellt, die sofort einen Knicks machte, und zwar so tief wie eine Novizin, und den Großen Schlangenring an der rechten Hand der Amyrlin küsste, bevor sie sich wieder aufrichtete. Der Ring war Sierins einziger Schmuck. Ihre siebenfach gestreifte Stola wies die halbe Breite von Duharas Stola auf, und das dunkelgraue Seidenkleid war von schlichtem Schnitt. Sie war recht mollig, das pausbäckige Gesicht schien für Fröhlichkeit geschnitten zu sein, aber sie zeigte eine

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