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Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Schwestern nicht gebrechlich – der Tod kam immer bei anscheinend völliger Gesundheit –, aber das kam so unerwartet, dass sie das Gefühl hatte, einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf bekommen zu haben. Das Licht erhelle Tamras Seele, betete sie im Stillen. Das Licht erleuchte ihre Seele. Sicherlich würde es das. Was würde jetzt mit der Suche nach dem Jungen passieren? Natürlich nichts. Tamras auserwählte Sucherinnen kannten ihre Aufgabe; sie würden die neue Amyrlin darüber in Kenntnis setzen. Vielleicht würde die neue Amyrlin sie von ihrer Arbeit entbinden, falls sie mit ihr sprechen konnte, bevor der Saal sie über ihren Plan informierte.
    Sofort stieg Schuld in ihr auf, und sie schob die Schüssel Haferbrei fort, denn ihr war jeder Appetit vergangen. Eine Frau, die sie aus ganzer Seele bewundert hatte, war gestorben, und sie dachte an den Vorteil , den ihr das vielleicht brachte! Daes Dae’mar steckte wirklich tief in ihr drin, vielleicht sogar die finsteren Abgründe aller Damodreds.
    Beinahe hätte sie Merean um eine Buße ersucht, aber möglicherweise würde die Herrin der Novizinnen ihr dann etwas auferlegen, das sie noch länger in Tar Valon festhielt. Allein dieser Gedanke vergrößerte ihre Schuld noch. Nur eines ihrer Kleider kam dem Trauerweiß nahe, das blaue, das so hell war, dass es eher wie blau gesprenkeltes Weiß aussah, und das zog sie zu Tamras Begräbnisriten an. Tamore hatte bei dem Gewand Vorder- und Rückseite und Ärmel mit einem komplizierten blauen Netzwerk bestickt, das so lange harmlos aussah, bis sie es anzog. Dann heischte es so unverhohlen nach Aufmerksamkeit wie das Kleid, das die Schneiderin getragen hatte. Nein, es erschien nicht nur so: Es war so. Als Moiraine sich im Spiegel betrachtete, wäre sie beinahe in Tränen ausgebrochen.
    Als Siuan sie auf dem Korridor vor ihren Gemächern sah, musste sie erst einmal blinzeln. »Bist du sicher, dass du das da anziehen willst?« Sie klang halb erstickt. In ihr Haar waren lange weiße Schleifen gebunden, um die Arme noch längere. Die vorbeigehenden Schwestern trugen alle Variationen. Aes Sedai zogen niemals Kleider in der Farbe der Trauer an – abgesehen von den Weißen, die sie nicht so betrachteten.
    »Manchmal ist eine Buße erforderlich«, erwiderte Moiraine und schob sich die Stola absichtlich in die Ellbeugen, und Siuan fragte nicht nach. Es gab Fragen, die man stellte, und Fragen, die man nicht stellte. Das war ein althergebrachter Brauch. Und Freundschaft.
    Jede in der Burg verweilende Schwester kam mit ihrer Stola um den Hals zu einer abgeschiedenen Lichtung in einem bewaldeten Stück des Burggeländes, auf der Tamra in ein schlichtes blaues Leichenhemd eingenäht auf der Totenbahre lag. Die Morgenluft war mehr als nur kühl – Moiraine war sich dessen bewusst, obwohl sie keinen Drang zum Frösteln verspürte –, und selbst die umgebenden Eichen waren unter dem grauen Himmel noch immer blattlos, und ihre dicken, verkrümmten Äste sorgten für den passenden Rahmen eines Begräbnisses. Moiraines Kleidung rief mehr als nur ein paar hochgezogene Brauen hervor, aber die Missbilligung der Schwestern war ein Teil ihrer Buße. Demütigung des Geistes war immer am schwersten zu ertragen. Seltsamerweise trugen alle Weißen schwarze Schleifen, aber das musste ein Ajah-Brauch sein, denn es rief bei den anderen Schwestern keine schrägen Blicke und auch kein Stirnrunzeln hervor. Sie mussten es schon zuvor gesehen haben. Jeder, der wollte, durfte ein Gebet oder ein paar Worte zur Erinnerung sprechen, und die meisten taten das auch. Bei den Roten sprachen nur die Sitzenden, und dann auch nur wenige Worte, aber vielleicht war auch das ein Brauch.
    Moiraine zwang sich dazu, nach vorn zu treten und sich vor die Bahre zu stellen, die Stola nicht entfaltet, voll enthüllt, in dem Wissen, im Blickfeld aller Augen zu stehen. Das war das Schwerste, was zu ertragen war. »Möge das Licht Tamras Seele erleuchten, so strahlend, wie sie es verdient, und möge sie in der Hand des Schöpfers Zuflucht bis zu ihrer Wiedergeburt finden. Das Licht sende ihr eine strahlende Wiedergeburt. Keine andere Frau habe ich mehr bewundert als Tamra. Ich bewundere sie und ihre Ehre noch immer. Das werde ich für alle Zeiten tun.« In ihren Augen stiegen Tränen auf, und nicht durch die Demütigung, die sie langen Dornen gleich stach. Sie hatte Tamra nie richtig kennengelernt – Novizinnen und Aufgenommene kannten Schwestern nie gut, erst recht nicht den

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