Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Annahme, dass man ihn in die Burg bringen würde. Das würde ihn nur den Roten aussetzen, sowie anderen, die nicht vertrauenswürdig sind. Sobald man ihn gefunden hat, wird Tamra ihn verstecken. Seine Ausbildung wird in den Händen seiner Sucherinnen liegen, der Frau, der sie am meisten vertraut.«
Siuan schlug sich auf die Stirn. »Ich glaube, mein Kopf explodiert gleich«, murmelte sie. »Du hast das alles aus zwei Botschaften konstruiert, und du weißt nicht einmal, was darin stand.«
»Ich weiß eine Sache, die sie beinhaltet haben, und eine Sache, die sie nicht beinhaltet haben. Es geht einfach nur darum, die Muster zu sehen und die Stücke zusammenzusetzen, Siuan. Wirklich, das sollte dir doch leichtfallen.«
»Ach ja? Ellid gab mir letzte Woche ein Schmiederätselspiel. Sie hat behauptet, es würde sie langweilen, aber ich glaube, sie konnte es nicht lösen. Willst du es mal versuchen?«
»Vielen Dank, aber nein, danke«, sagte Moiraine höflich. Und nach einem schnellen Blick, um sich zu vergewissern, dass keine Schwestern in der Nähe lauerten, steckte sie ihrer Freundin die Zunge raus.
Am nächsten Tag schickte Tamra drei weitere Botschaften. Die erste ging an Meilyn Arganya, die zweite an Valera Gorovni, eine mollige kleine Braune, die immer lächelte und selbst dann eifrig beschäftigt zu sein schien, wenn sie still dastand, und die dritte an Ludice Daneen, eine dürre Gelbe, deren lang gezogenes, grimmiges Gesicht von mit hellen Perlen durchzogenen tarabonischen Zöpfen eingerahmt war, die ihr bis zur Taille hingen. Keine machte auch nur eine Andeutung über den Inhalt der Botschaft, aber sie alle trugen die Stola länger als hundert Jahre, und alle drei teilten den Ruf, sich streng an das Gesetz zu halten. Moiraine betrachtete das als Bestätigung, und selbst Siuan fing an, es zu glauben.
Fünf erschienen zu wenig für die Suche nach dem Jungen – jeden Tag füllten die Namen, die den Weg in ihre kleinen Notizbücher fanden, mehr Seiten –, aber Tamra ließ keine weiteren Botschaften überbringen. Zumindest nicht von ihnen. Aeldra Najaf wurde zur Bewahrerin der Chroniken erhoben, um Gitara zu ersetzen, und möglicherweise überbrachte sie sie oder beauftragte damit eine Novizin, was wahrscheinlicher war. Eine Zeit lang versuchten Moiraine und Siuan, das Arbeitszimmer der Amyrlin unauffällig zu beobachten, spähten abwechselnd am Türrahmen vorbei, aber Tamra empfing einen ständigen Strom an Besuchern. Nicht konstant, aber ständig. Sitzende konnte man aus den Überlegungen streichen, da sie nur selten die Stadt verließen, solange sie im Saal einen Sitz einnahmen, aber jede der anderen hätte eine Sucherin sein können. Oder auch nicht. Für Moiraine war das außerordentlich frustrierend. Das Jucken zwischen den Schulterblättern, wo ihre Finger nicht herankamen.
Sie gaben das Ausspähen bald auf. Zum einen erschien es sinnlos. Zum anderen geschah das Kopieren der Namen zu langsam, wenn nur eine schrieb. Und Aeldra erwischte Moiraine beim Verlassen des Arbeitszimmers der Amyrlin in der Tür.
Weißes Haar war die einzige Ähnlichkeit, die es zwischen Aeldra und Gitara gab, und Aeldras Haar war glatt und so kurz geschnitten wie Kerenes. Die neue Bewahrerin war schlank, ihre kupferfarbene Haut war durch Sonne und Wind ganz rau geworden, aber mit ihrem schmalen Kiefer und der scharf geschnittenen Nase hatte sie sicherlich niemals jemand als Schönheit bezeichnet. Sie trug nur den Großen Schlangenring als Schmuck, ihr Kleid war aus feiner blauer Wolle, aber von einfachem Schnitt, und die dunkelblaue Stola auf ihren Schultern war kaum breiter als zwei Finger. Eine ganz andere Frau als Gitara.
»Was seht Ihr Euch an, Kind?«, fragte sie sanft.
»Nur die Schwestern, die ins Arbeitszimmer der Amyrlin gehen, Aes Sedai«, erwiderte Moiraine. Jedes Wort war die Wahrheit.
Aeldra lächelte. »Träumt Ihr von der Stola? Vielleicht würdet Ihr Eure Zeit besser mit Lernen und Üben verbringen.«
»Wir finden Zeit für beides, Aes Sedai, und diese Arbeit nimmt meine Gedanken in Anspruch.« Ebenfalls die Wahrheit. Die Suche nach dem Jungen beanspruchte jeden Fetzen ihres Bewusstseins, das nicht mit Gedanken beschäftigt war, auf die sie gern verzichtet hätte.
Ein leichtes Stirnrunzeln huschte über Aeldras Antlitz. Sie legte Moiraine eine Hand an die Wange, als würde sie nach Fieber suchen. »Machen Euch diese anderen Träume noch immer zu schaffen? Einige der Braunen wissen viel über Kräuter. Ich
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