Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Bewegung, die ihr perfektes Gesicht umrahmten. Ihre Augen waren wie große Saphire, ihre Haut so rein wie Milch. Der einzige Fehler, den Moiraine in ihrem Erscheinungsbild finden konnte, war ein zu üppiger Busen. Und sie war sehr groß, fast so groß wie die meisten Männer. Männer lächelten Ellid an, wenn sie nicht gleich lüstern starrten. Novizinnen sahen ihr hinterher, und zu viele Närrinnen unter den Aufgenommenen beneideten sie. »Adelorna hat gesagt, dass Gitara eine Vorhersage gemacht hat, derzufolge Tarmon Gai’don zu Lebzeiten von Schwestern kommt, die jetzt atmen. Ich kann es nicht erwarten. Ihr wisst ja, ich werde Grün wählen.« Jede Aufgenommene wusste das. »Ich will sechs Behüter haben, wenn ich in die Letzte Schlacht reite.« Auch das wusste jede Aufgenommene. Ellid erzählte einem immer, was sie zu tun beabsichtigte. Und meistens tat sie es auch tatsächlich. Das erschien kaum fair.
»So«, sagte Moiraine leise, nachdem sich Ellid den anderen angeschlossen hatte, die zum Abendessen eilten. »Gitara hat andere Vorhersagen gemacht. Mindestens eine, und wenn eine, dann vielleicht noch mehr.«
Siuan runzelte die Stirn. »Wir wissen doch bereits, dass die Letzte Schlacht kommt.« Sie verstummte, als Katerine und Sarene vorbeigingen und sich müde darüber unterhielten, ob sie zum Essen zu müde waren, und fuhr fort, als die beiden außer Hörweite waren. »Was spielt es für eine Rolle, ob Gitara ein Dutzend Vorhersagen gemacht hat oder gar hundert?«
»Siuan, hast du dich nie gefragt, wieso Tamra sicher sein konnte, dass das der Zeitpunkt ist, dass der Junge jetzt zur Welt kommt? Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass mindestens eine der Vorhersagen ihn zum Gegenstand hatte. Etwas, das, wenn man es mit dem zusammennimmt, was wir selbst gehört haben, Tamra verraten hat, dass der Zeitpunkt gekommen ist.« Jetzt war Moiraine an der Reihe, nachdenklich die Stirn zu runzeln. »Weißt du, wie das bei Gitara mit den Vorhersagen war?« Verschiedene Frauen waren auf verschiedene Arten davon betroffen, einschließlich der Art und Weise, wie sie eine Vorhersage äußerten. »So wie sie sprach, hätte er in diesem Augenblick geboren werden können. Vielleicht war es dieser Schock, der sie umgebracht hat.«
»Das Rad webt, wie es das Rad will«, sagte Siuan düster, dann schüttelte sie sich. »Beim Licht! Lass uns essen gehen! Du musst noch üben.«
Sie hatten wieder mit den Übungen angefangen, zumindest am späten Abend, und Myrelle half ihnen auch weiterhin, wenn sie nicht so müde war, dass sie nach dem Abendessen sofort zu Bett ging. Manchmal auch davor. Genügend Aufgenommene taten das eine oder das andere, sodass die Galerien lange vor dem Löschen der Lampen still und stumm dalagen. Die Übungen liefen schlecht für Moiraine, vor allem am Anfang. Am ersten Abend hatte Elaida ihr Zimmer betreten, während sie Siuans und Myrelles Quälereien auf dem Blumenteppich erduldete. Das Brennholz war so hoch aufgeschichtet, wie der kleine Kamin zuließ, aber bestenfalls konnte man sagen, dass die lodernden Scheite der Kälte lediglich ihren Biss nahmen. Zumindest war es nicht eiskalt.
»Ich bin froh, dass Ihr Eure Arbeit nicht als Vorwand nehmt, die Übungen ausfallen zu lassen«, sagte die Rote Schwester. Ihr Tonfall besagte, dass sie überrascht war, und das Wort »Arbeit« war in Verachtung gehüllt. Wieder war ihr Kleid das reine Rot, und sie trug die fransenbesetzte Stola, als wäre sie in ihren Pflichten unterwegs. Sie ging in die Moiraine gegenüberliegende Ecke und verschränkte die Arme unter der Brust. »Macht weiter. Ich will zusehen.« Es blieb ihnen nichts übrig, als zu gehorchen.
Möglicherweise wurden Siuan und Myrelle von Elaidas Anwesenheit angetrieben, denn sie gaben ihr Bestes. Was bedeutete, ihr Schlimmstes, was überraschende Schläge und Kneifen, plötzliche Donnerschläge neben Moiraines Ohren und rutenähnliche Hiebe quer über ihre Beine anging, immer in genau dem Augenblick, in dem sie ihre Konzentration am dringendsten brauchte. Sie versuchte, Elaida nicht anzusehen, aber die Schwester stand genau dort, wo sie nicht vorbeisehen konnte. Elaidas prüfender Blick machte sie nervös, aber er inspirierte sie auch. Oder trieb sie an. Sie konzentrierte sich mit allem, was sie zu geben hatte, und es gelang ihr, einundsechzig Gewebe zu weben, bevor das zweiundsechzigste in einem Gewirr aus Erde, Luft, Wasser und Geist in sich zusammenbrach, sodass sich ihre Haut feucht und kühl
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