Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Stäben zusammengebunden waren und bei jedem schnellen Schlag klapperten.
Rina Hafden, der es irgendwie gelang, ein kantiges Gesicht hübsch und einen stämmigen Körperbau elegant und anmutig aussehen zu lassen, feuerte beide mit einem breiten Lächeln an. »Ein guter Schlag. Waylin! Oh, sehr gut pariert, Elyas!« Von der Größe her hätten sie Zwillinge sein können, allerdings war der eine dunkelhäutig und glatt rasiert und der andere blond mit einem kurz geschnittenen Bart. Grinsend bewegten sie sich immer schneller. Ihre schweißgetränkten Hemden klebten an den breiten Schultern und auf dem Rücken, und doch erschienen sie frisch und nicht im Mindesten ermüdet.
Durch eine offene Tür sah Moiraine einen mondgesichtigen Behüter, der auf einer Flöte eine erhabene Melodie spielte, während die grauhaarige Jala Bandevin – eine eindrucksvolle Frau, obwohl sie fast eine Handbreit kleiner als Moiraine war – versuchte, einem neuen Behüter die Schritte eines Hoftanzes beizubringen. Er musste neu sein, ein errötender blonder Junge von kaum mehr als zwanzig Jahren, aber kein Mann erlangte den Bund, solange er nicht bereits über alle dafür erforderlichen Fertigkeiten verfügte. Alle bis auf Tanzen zumindest.
Kerenes Tür wies ein in Rot, Gold und Schwarz lackiertes Schwert auf, und sie stand ebenfalls offen. Fröhliche Musik drang heraus. Moiraine hatte keine Ahnung, was die Lackierung oder auch die Farben bedeuteten, und vermutlich würde sie es nie erfahren, falls sie sich nicht dafür entschied, die Grüne Ajah zu wählen. Das würde nicht passieren, aber es gefiel ihr nicht, dass sie es nicht wusste. Sobald sie auf etwas ihr Unbekanntes stieß, wurde die Unwissenheit zu einem Jucken zwischen den Schulterblättern, das gerade außerhalb der Reichweite war. Nicht zum ersten Mal merkte sie sich die Schwerter neben vielen anderen in den Ajah-Quartieren gesehen Dingen. Das Jucken ließ nach, aber ihr war klar, dass es bei der nächsten Begegnung mit den Türen zurückkehren würde.
Die wenigen Wandbehänge in Kerenes Wohnzimmer zeigten Szenen vom Krieg oder der Jagd, aber der größte Teil der Wände war Regalen in den Stilen eines halben Dutzend Ländern überlassen. Zusammen mit ein paar Büchern enthielten sie einen riesigen Löwenschädel und einen noch größeren Bärenschädel, polierte Schüsseln, seltsam geformte Vasen, mit Edelsteinen und Gold verzierte Dolche und Dolche mit schlichten Holzgriffen; einer wies nur noch den Rest der abgebrochenen Klinge auf. Ein Schmiedehammer mit in zwei Teile gespaltenem Kopf lag neben einer zersprungenen Holzschale, die einen dicken Feuertropfen enthielt, der prächtig genug war, um eine Königskrone zu schmücken. Eine vergoldete Fassuhr, deren Zeiger kurz vor Mittag oder Mitternacht stehen geblieben waren, stand neben einem stählernen Panzerhandschuh, von dessen Flecken Moiraine überzeugt war, dass es sich um Blut handelte. Sie und der Rest waren Erinnerungsstücke an über hundert Jahre des Tragens der Stola.
Erinnerungsstücke von der Zeit vor der Stola gab es nur wenige. Lediglich eine Reihe von Miniaturen auf dem mit Wellen verzierten Kaminsims, die einen schlicht gekleideten, ehrwürdigen Mann, eine mollige, lächelnde Frau und fünf Kinder, davon drei Mädchen, zeigte. Das war Kerenes Familie, die schon vor langer Zeit zusammen mit ihren Nichten und Neffen und deren Kindern und Enkeln und Urenkeln begraben worden war. Das war der Schmerz, den jede Aes Sedai zu ertragen hatte. Familien starben, und alles, was man kannte, verschwand. Bis auf die Weiße Burg. Die Weiße Burg bestand ewig.
Zwei von Kerenes Behütern hielten sich ebenfalls in dem Wohnzimmer auf. Der massive Karile, dessen Haar und Bart ihm das Aussehen eines goldmähnigen Löwen verliehen, saß vor dem Kamin, die Füße auf einer kunstvoll gearbeiteten bronzenen Kamineinfassung, und las in einem Buch, während aus dem Kopf einer langstieligen Pfeife blauer Rauch aufstieg. Stepin, der mit seinen schmalen Schultern und den traurigen braunen Augen mehr wie ein Schreiber als wie ein Behüter aussah, saß auf einem Stuhl und spielte auf einer zwölfsaitigen Laute einen lebhaften Matrosentanz, und seine Finger bewegten sich genauso kunstvoll wie die eines Musikers. Keiner der Männer hielt wegen der Ankunft einer Aufgenommenen in seiner Beschäftigung inne.
Kerene stand an einem Stickrahmen, der auf einem Ständer befestigt war. Es schien immer unpassend zu sein, eine Grüne bei einer Näharbeit
Weitere Kostenlose Bücher