Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
hinzu und zog mit einer Gereiztheit an ihrer Stola, die offensichtlich vorgetäuscht war, da sie von einem Lachen verraten wurde. »Es war nicht fair, dass sie ihre Position auf diese Weise ausgenutzt hat.«
»Oder vielleicht meine, wäre ich nur etwas schneller gewesen«, sagte Kairen nach der formellen Begrüßung. Sie war eine schöne Frau, nicht übermäßig groß, deren Lächeln die Kühle ihrer blauen Augen Lügen strafte. »Können wir denn wenigstens hoffen, dass Ihr schlechte Bäckerinnen seid? Aeldra liebt Streiche fast so sehr wie Ihr, und es wäre schön zu sehen, wenn man es ihr entsprechend heimzahlt.«
Moiraine lachte und umarmte Siuan. Sie konnte es nicht vermeiden. Sie war wahrhaftig nach Hause gekommen. Sie waren nach Hause gekommen.
Das Quartier der Blauen wies nichts von dem Überfluss der Grünen und Gelben auf, war aber auch nicht so schlicht wie das der Braunen oder Weißen. Die hellen bunten Winterwandbehänge im Hauptkorridor zeigten Szenen mit Frühlingsgärten und Felder voller Wildblumen, Bäche, die über Felsen sprudelten, und fliegende Vögel. Die Lampen an den hohen Wänden waren vergoldet, wiesen aber nur schlichte Verzierungen auf. Nur die Bodenfliesen in jeder blauen Schattierung, vom blassen Morgenhimmel bis zum tiefen Violett der Abenddämmerung, die in wellenförmigen Mustern gelegt waren, deuteten auf irgendwelche Pracht hin. Sie und Siuan schritten langsam die Wellen ab und erhielten neununddreißig weitere Willkommensküsse, bevor sie Eadyth und die beiden anderen Sitzenden erreichten.
»Für Euch sind Räume vorbereitet worden«, sagte die pausbäckige Schwester, »zusammen mit vernünftiger Kleidung und einem Frühstück, aber zieht Euch schnell um und beeilt Euch mit dem Essen. Es gibt Dinge, die ich Euch erklären muss, Dinge, die Ihr wissen müsst, bevor es wirklich sicher für Euch ist, den Fuß außerhalb unseres Quartiers zu setzen. Oder Euch hier zu bewegen, um ehrlich zu sein, obwohl die meisten neuen Schwestern gegenüber nachsichtig sind. Cabriana, zeigt Ihr ihnen den Weg?«
Eine Schwester mit langen hellblonden Haaren, die ihr fast bis zur Taille reichten, lüpfte die blau geschlitzten Röcke zu einem kleinen Knicks. Nicht alle Schwestern unterrichteten Klassen, und Moiraine erkannte sie nicht. In ihrem Blick lag eine wilde Direktheit, die zu einer Grünen gepasst hätte, aber ihr Ton klang sehr mild, als sie sagte: »Wie Ihr wünscht, Eadyth.« Dann wandte sie sich fast genauso mild an Siuan und Moiraine. »Kommt Ihr bitte mit mir?« Es war schon sehr seltsam, diese Mischung aus Wildheit und … nun, Fügsamkeit schien die beste Beschreibung.
»Ist sie die Erste Auserwählende?«, fragte Moiraine vorsichtig, sobald sie außer Eadyths Hörweite waren. Und von jeder anderen, wie sie hoffte. Die versammelten Schwestern gingen auseinander und nahmen die Stolen ab.
»O ja«, sagte Anaiya, die sich mit Kairen ihnen anschloss. Cabriana hatte den Mund schon geöffnet, um zu antworten, aber sie schloss ihn wieder ohne das geringste Anzeichen von Protest, übergangen worden zu sein. »Es ist ungewöhnlich, dass die Erste Auserwählende auch eine Sitzende ist«, fuhr Anaiya fort, »aber im Gegensatz zu anderen schöpfen wir Blauen gern unsere Fähigkeiten voll aus.«
Kairen faltete die Stola zusammen, legte sie über den Arm und nickte. »Eadyth ist möglicherweise die fähigste Blaue der letzten hundert Jahre, aber wenn sie eine Braune oder Weiße wäre, würden sie sie dort herumwerkeln lassen, wo sie Lust hätte.«
»O ja«, sagte Cabriana und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Einige der Braunen Sitzenden haben sich schändlich verhalten. Jedenfalls für Sitzende. Aber Braune lassen immer die Gedanken wandern. Auf jeden Fall könnt Ihr sicher sein, dass man für Eure Talente, welche das auch sein mögen, einen Nutzen finden wird.«
Das hörte sich nicht so gut an, fand Moiraine und tauschte mit Siuan einen vorsichtigen Blick aus. Nun, keine von ihnen hatte besondere Fähigkeiten. Aber vor welchen Gefahren wollte Eadyth sie warnen? Eine Gefahr, die es sogar hier gab. Sie wollte die drei Schwestern fragen, die sie den Korridor entlangbegleiteten, aber sie war sich sicher, dass diese Information von Eadyth kommen musste, und zwar unter vier Augen, denn sonst hätte sie sie an Ort und Stelle verkündet. Beim Licht! Ihr neues Zuhause hatte genauso viele Unterströmungen wie der Sonnenpalast. Definitiv eine Zeit für Vorsicht. Eine Zeit, um zuzuhören und zu
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