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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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flatterte die Flagge von Andor – der Mittelpunkt all jener
Schaustücke der Baukunst und ihr Höhepunkt. Er schien eher von einem Künstler
als Skulptur entworfen als nur einfach gebaut.
    Ein Blick reichte, um ihm zu zeigen, dass
er nicht näher herankommen würde. Niemand wurde in die Nähe des Palasts
durchgelassen. Gardesoldaten der Königin standen – zehn scharlachrote Reihen
stark – zu beiden Seiten der Palasttore. Oben auf den weißen Mauern, auf hohen
Balkonen und Türmen, standen weitere Gardesoldaten in Habtachtstellung, die
Bogen vor die gepanzerte Brust gehalten. Auch sie sahen aus, als entsprängen
sie der Erzählung eines Gauklers; eine Ehrengarde, doch Rand glaubte nicht,
dass sie sich aus diesem Grund dort befanden. Die lärmende Menge an den
Straßenrändern trug fast nur in Weiß gehüllte Schwerter, weiße Armbinden und
weiße Abzeichen. Nur hier und da wurde diese weiße Mauer durch ein Bündel Rot
unterbrochen. Die rot uniformierten Wachen schienen all diesem Weiß gegenüber
nur wie eine sehr dünne Sperre.
    Er gab den Versuch auf, näher an den
Palast heranzukommen, und suchte sich einen Platz, an dem er seine Größe besser
ausnützen konnte. Er musste nicht in der ersten Reihe stehen, um alles sehen zu
können. Die Menschen waren ständig in Bewegung. Die einen schoben sich weiter
nach vorn, andere wieder eilten weg zu einem, wie sie glaubten, besseren
Standpunkt. Nach einer solchen Unterströmung befand er sich nur drei Reihen von
der offenen Straße entfernt, und beinahe alle, die vor ihm standen, waren
kleiner als er, sogar die Lanzenträger. Menschen drängten sich, schwitzend vom
Druck so vieler Körper, von beiden Seiten her gegen ihn. Die hinter ihm
beschwerten sich, weil sie nichts sehen konnten, und versuchten, sich an ihm
vorbeizuschieben. Er wich nicht, und zusammen mit denen an seiner Seite stellte
er eine undurchdringliche Menschenmauer dar. Er war es zufrieden. Wenn der
falsche Drache vorbeikam, würde er sich nahe genug am Geschehen befinden, um
das Gesicht des Mannes deutlich sehen zu können.
    Auf der anderen Straßenseite und unten
beim Tor zur Neustadt schien eine Welle die dichte Menge zu durchlaufen. Vor
der Kurve wichen die Leute gruppenweise zurück, um etwas vorbeizulassen. Das
war nicht wie der Freiraum, der immer um die Weißmäntel herum verblieb. Diese
Leute fuhren mit Überraschung im Blick zurück, und dann verzogen sich ihre
Gesichter und zeigten Abscheu. Sie drückten sich nach hinten und wandten die
Gesichter ab. Doch aus den Augenwinkeln beobachteten sie weiter, bis es vorbei
war.
    Auch andere Augen in seiner Nähe bemerkten
die Störung. Man war wohl ganz auf das Kommen des Drachen eingestimmt, aber da
die Menge nun nichts anderes tun konnte als warten, wurde über jede Kleinigkeit
geschwatzt. Er hörte, wie die Vermutungen von einer Aes Sedai bis zu Logain
selbst gingen, und außerdem noch ein paar anzügliche Bemerkungen, die bei den
Männern rohes Gelächter auslösten, während die Frauen verächtlich schnaubten.
Die Welle pflanzte sich in Schlangenlinien durch die Menge fort und kam dabei
dem Straßenrand immer näher. Niemand schien zu zögern, sie durchzulassen, wie
sie wollte, selbst wenn das bedeutete, dass man einen guten Aussichtspunkt
aufgeben musste, wenn die Menge dahinter in sich selbst zurückflutete.
Schließlich wölbte sich Rand gegenüber die Menge in die Straße hinein, schob
rot gekleidete Lanzenträger zur Seite, die sich bemühten, die Menschen
zurückzudrängen, und öffnete sich. Die gebückte Gestalt, die zögernd ins Freie
schlurfte, wirkte mehr wie ein Haufen dreckiger Lumpen denn wie ein Mann. Rand
hörte unflätige Bemerkungen um sich herum.
    Der zerlumpte Mann blieb am entfernten
Straßenrand stehen. Seine Kapuze, zerrissen und steif vom Schmutz, schwang
hierhin und dorthin, als suche er etwas oder lausche. Plötzlich schrie er
wortlos auf, hob die schmutzige Klaue, die eine Hand darstellte, und deutete
genau auf Rand. Sofort krabbelte er wie ein Käfer über die Straße.
    Der Bettler. Welcher schlimme Zufall den Mann auch dazu gebracht hatte, ihn auf diese Weise
zu finden: Rand war sicher, dass er ihm – Schattenfreund oder nicht –
keinesfalls von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen wollte. Er konnte den
Blick des Bettlers spüren. Er wirkte wie

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