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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Egwene
mit zum Himmel gerichtetem Blick, als die beiden jungen Männer endlich
schwiegen. »Keiner von euch sollte von Mutters Schürzenzipfel weggelassen
werden. Es gibt Leute, die auf Pferden reiten, wisst ihr? Deshalb sind sie noch
lange keine Ungeheuer.« Rand nickte vor sich hin; sie redete genauso, wie er es
erwartet hatte. Dann bekam er sein Fett weg. »Und du hast diese Märchen
verbreitet. Manchmal scheinst du einfach keinen gesunden Menschenverstand zu
haben, Rand al’Thor. Der Winter war schon furchtbar genug, ohne dass du
herumläufst und Kinder erschreckst.«
    Rand schnitt eine Grimasse. »Ich habe gar
nichts verbreitet, Egwene. Aber ich habe gesehen, was ich gesehen habe, und das
war kein Bauer, der nach einer streunenden Kuh suchte.«
    Egwene holte tief Luft und öffnete den
Mund, aber was sie auch immer sagen wollte, sie sagte es nicht, denn in diesem
Moment öffnete sich die Tür der Schenke, und ein Mann mit struppigem weißem
Haar hetzte heraus, als sei jemand hinter ihm her.

KAPITEL 4

    Der Gaukler
    D ie Tür der Schenke schlug hinter
dem weißhaarigen Mann zu, und er fuhr herum und funkelte sie an. Er war mager,
und man hätte ihn hoch gewachsen nennen können, wäre da nicht die leicht
bucklige Haltung gewesen. Trotzdem – er bewegte sich so geschwind, dass man ihm
das Alter nicht anmerkte. Sein Umhang schien aus einer Unzahl von Flicken zu bestehen,
in den eigenartigsten Formen und Größen, die in jedem Lufthauch flatterten,
Flicken in hundert verschiedenen Farben. Der Umhang war in Wirklichkeit recht
dick, bemerkte Rand, obwohl Meister al’Vere anderes behauptet hatte, und die
Flicken waren lediglich als Dekoration aufgenäht.
    Â»Der Gaukler!«, flüsterte Egwene
aufgeregt.
    Der weißhaarige Mann wirbelte herum, und
der Umhang leuchtete auf.
    Sein langer Mantel hatte seltsam
aufgebauschte Ärmel und große Taschen. Ein kräftiger Schnurrbart, genauso weiß
wie das Haar auf dem Haupt, zitterte über dem Mund, und das Gesicht war knorrig
wie ein Baum, der schwere Zeiten hinter sich hatte. Mit einer langstieligen,
mit Schnitzwerk verzierten Pfeife zeigte er gebieterisch auf Rand und die
anderen. Ein dünner Rauchfaden erhob sich daraus. Blaue Augen spähten unter
buschigen weißen Augenbrauen hervor und durchbohrten alles, worauf er blickte.
    Rand betrachtete die Augen des Mannes
genauso intensiv wie die ganze Gestalt. Jedermann von den Zwei Flüssen hatte
dunkle Augen, und bei den meisten Kaufleuten und ihren Söldnern und jedem
sonst, den er bisher gesehen hatte, war das auch der Fall. Die Congars und die
Coplins hatten sich über seine grauen Augen lustig gemacht, jedenfalls bis zu
dem Tag, da er endlich Ewal Coplin eins auf die Nase gegeben hatte. Die Dorfheilerin
hatte ihn deshalb heftig getadelt. Er fragte sich, ob es einen Ort gab, an dem
niemand dunkle Augen hatte. Vielleicht kommt auch Lan
von dort.
    Â»Wo bin ich hier eigentlich?«, fragte der
Gaukler mit tiefer Stimme, die irgendwie gewaltiger klang als die eines
gewöhnlichen Mannes. Selbst im Freien schien sie widerzuhallen. »Die
Bauerntrampel in diesem Dorf auf dem Hügel erzählen mir, ich könne noch vor
Einbruch der Dunkelheit hier ankommen, vergessen aber, mir zu sagen, dass ich
dazu am Vormittag aufbrechen muss. Als ich endlich ankomme, bis auf die Knochen
durchgefroren und reif für ein warmes Bett, meckert euer Wirt, es sei schon
sehr spät, als sei ich ein wandernder Schweinehirt und als hätte mich nicht
euer Dorfrat gebeten, bei eurem Fest meine Kunst zu zeigen. Und er sagte mir
noch nicht einmal, dass er der Bürgermeister ist!« Er holte erst einmal Luft,
betrachtete alle finster und legte einen Moment später schon wieder los. »Als
ich runterging, um meine Pfeife vor dem Kamin zu rauchen und einen Krug Bier zu
trinken, sieht mich jedermann im Schankraum an, als sei ich sein verhasster
Schwager und versuche, mir von ihm Geld zu leihen. Irgendein Tattergreis fängt
an, mir Vorträge zu halten, welche Art von Geschichten ich erzählen soll und
welche nicht, und dann schreit mich so ein kindisches kleines Mädchen an, ich
solle abhauen, und bedroht mich mit einem Knüppel, als ich nicht schnell genug
springe. Wo hat man denn so was schon gehört, dass man einen Gaukler derart
behandelt?«
    Es lohnte sich, Egwenes Gesicht zu
studieren. Sie war hin- und hergerissen. Einerseits bestaunte sie den

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