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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Glut wieder.
Donner grollte in den Tiefen der Schlucht, und Blitze zuckten durch das Grau. Manchmal
zuckten die Blitze gen Himmel.
    Es war nicht die Schlucht selbst, die ihm
die Kraft aussaugte und die verbleibende Leere mit Hilflosigkeit füllte. Aus
dem Mittelpunkt des zornigen Wolkengewühls erhob sich ein Berg, höher als alle,
die er je in den Verschleierten Bergen gesehen hatte, ein Berg, so schwarz wie
der Verlust aller Hoffnung. Diese düstere Steinspitze, ein Dolch, der den
Himmel erstach, war der Ursprung seines Verderbens. Er hatte ihn nie zuvor
gesehen, aber er wusste es. Die Erinnerung daran entschlüpfte ihm wie
Quecksilber, als er sie zu fassen suchte, aber sie war vorhanden. Er wusste,
sie war da.
    Unsichtbare Finger berührten ihn, zupften
an seinen Armen und Beinen, wollten ihn zu dem Berg hinziehen. Sein Körper
zuckte, bereit, zu gehorchen. Arme und Beine versteiften sich, als könne er
seine Finger und Zehen in den Stein eingraben. Geisterfäden wickelten sich um
sein Herz, zogen ihn, riefen ihn hin zu dem aufragenden Berg. Tränen rannen ihm
übers Gesicht, und er sackte zu Boden. Er fühlte, wie sein Wille zerrann wie
Wasser aus einem löchrigen Eimer. Nur ein wenig länger, und er würde gehen,
wohin er gerufen wurde. Er würde gehorchen und tun, was man ihm befahl.
Plötzlich entdeckte er ein weiteres Gefühl: Zorn. Schieb ihn, zieh ihn – er war
doch kein Schaf, das man zum Pferch trieb. Der Zorn verdichtete sich in ihm,
und er klammerte sich daran, wie er sich in der Flut an ein Floß geklammert
hätte.
    Diene mir, flüsterte eine Stimme in seinen gelähmten Verstand hinein. Eine wohlbekannte Stimme.
Wenn er genau hinhörte, da war er sicher, würde er sie erkennen. Diene mir. Er schüttelte den
Kopf in dem Versuch, die Stimme loszuwerden. Diene
mir! Er schwang die Faust in Richtung auf den
schwarzen Berg zu. »Das Licht verschlinge dich, Shai’tan!«
    Plötzlich lag der Geruch des Todes in der
Luft. Eine Gestalt ragte über ihm auf mit einem Mantel von der Farbe
getrockneten Bluts, eine Gestalt mit einem Gesicht … Er wollte das Gesicht
nicht sehen, das auf ihn herunterblickte. Er wollte nicht an dieses Gesicht
denken. Es tat weh, daran zu denken, verbrannte seinen Verstand zu Asche. Eine
Hand streckte sich nach ihm aus. Es war ihm gleich, ob er über die Kante des
Abgrunds fiel. Er warf sich aus dem Weg dieser Hand. Er musste weg. Weit weg.
Er fiel, schlug in der Luft um sich, wollte schreien und hatte den Atem dazu
nicht. Er bekam keine Luft mehr.
    Mit einem Mal war er nicht mehr in dem
unfruchtbaren Land und fiel auch nicht mehr. Seine Stiefel trampelten über
winterbraunes Gras, das wie ein Blumenteppich anmutete. Er lachte beinahe vor
Glück, als er vereinzelte Bäume und Büsche sah, obwohl sie kahl waren; Punkte
auf einer welligen Ebene, die ihn nun umgab. In einiger Entfernung ragte ein
einzelner Berg auf, der Gipfel zerbrochen und gespalten, doch dieser Berg
strahlte weder Angst noch Verzweiflung aus. Es war einfach ein Berg, wenn er
auch ziemlich fehl am Platz wirkte, da kein weiterer Berg sichtbar war.
    Ein breiter Strom floss vor dem Berg
vorbei, und auf einer Insel in der Mitte dieses Stroms stand eine Stadt wie aus
dem Märchen, eingeschlossen von hohen Mauern, die unter der warmen Sonne weiß
und silbern glänzten. Erleichterung und Freude erfassten ihn, als er sich den
Mauern näherte. Dahinter würde er Ruhe und Geborgenheit finden. Beim Näherkommen
entdeckte er himmelsstürmende Türme, viele von ihnen durch erstaunliche Stege
miteinander verbunden. Hohe Brücken schwangen sich von beiden Flussufern zu der
Inselstadt. Sogar aus dieser Entfernung erkannte er das kunstvoll durchbrochene
Gemäuer der Pfeiler. Es schien zu zerbrechlich, um der starken Strömung zu
widerstehen, die unter ihnen hinweg rauschte. Jenseits dieser Brücken lag die
Sicherheit. Zuflucht.
    Plötzlich rann ihm ein Schauer durch die
Gebeine, seine Haut wurde eisig klamm und die ihn umgebende Luft modrig und
feucht. Ohne zurückzublicken, rannte er los, rannte weg vor dem Verfolger,
dessen eisige Finger seinen Rücken streiften und an seinem Umhang zupften,
rannte weg vor der lichtfressenden Gestalt mit dem Gesicht, das … Er konnte
sich an das Gesicht nicht erinnern, sah es nur als eine Maske des Schreckens.
Er wollte sich nicht an das Gesicht erinnern. Er rannte, und der Boden glitt
unter

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