Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Nur zwei Wochen. Zweiundzwanzig Tage, um genau zu sein. Das hätte nicht lange genug sein dürfen, um alles zu verändern, aber trotz alledem veränderte sie die Rolle als Diener. Nur zwei Wochen, und sie sprangen bei jedem Befehl, ohne nachzudenken, sorgten sich wegen Bestrafungen und ob sie Sevanna erfreuten. Das Schlimmste daran war, dass sie selbst Zeuginnen wurden, wie sie diese Dinge taten, dass sie genau wußten, dass ein Teil von ihnen gegen ihren Willen umgeformt wurde. Im Moment konnten sie sich einreden, dass sie nur das taten, was nötig war, um keinen Verdacht zu erregen und dann entkommen zu können, aber jeden Tag wurden die Reaktionen mechanischer. Wie lange würde es noch dauern, bevor Flucht ein verblasster Traum in der Nacht nach einem Tag als perfekter Gai’shain sowohl in Gedanken als auch in Taten war? Bis jetzt hatte keine gewagt, die Frage laut zu stellen, und Faile wusste, dass sie sich bemühte, nicht daran zu denken, aber die Frage lauerte immer in einem Winkel ihres Bewusstseins. In gewisser Weise hatte sie Angst davor, dass sie verschwand. Denn wenn sie das tat, würde sie vorher beantwortet sein?
Mit einer bewussten Anstrengung zwang sie sich, die Verzweiflung zu verdrängen. Sie war die zweite Falle, und allein Willenskraft ließ sie nicht zuschnappen. »Maighdin weiß, dass sie vorsichtig sein muss«, sagte sie mit fester Stimme. »Sie wird bald hier sein, Alliandre.«
»Und wenn sie erwischt wird?«
»Das wird nicht passieren!«, sagte Faile scharf. Wenn sie … Nein, sie musste an den Sieg denken, nicht an die Niederlage. Verzagte Herzen gewannen nie.
Die Seide zu waschen war zeitaufwendig. Das Wasser aus der Zisterne war eiskalt, aber das heiße Wasser aus dem Kupferkessel ließ die Temperatur in den Waschzubern auf lauwarm ansteigen. Man konnte Seide nicht in heißem Wasser waschen. Die Hände in die Waschzuber zu tauchen fühlte sich in der Kälte wunderbar an, aber man musste sie immer wieder herausnehmen, und dann biss die Kälte zweimal so schlimm zu. Es gab keine Seife, jedenfalls keine, die mild genug gewesen wäre, also musste man jede Bluse und jeden Rock einzeln eintauchen und den Stoff behutsam reiben. Das feuchte Kleidungsstück wurde dann in einen weiteren Waschzuber getaucht, der mit einer Mischung aus Wasser und Essig gefüllt war – das verhinderte das Ausbleichen und ließ die Seide glänzen –, danach rollte man es wieder in ein Handtuch ein. Das feuchte Handtuch wurde kräftig ausgewrungen und später in der Sonne zum Trocknen überall dort ausgebreitet, wo Platz war, während die Seide auf einem waagrechten Pfahl aufgehängt wurde, den man im Schatten eines schlichten Segeltuchpavillons am Rand des Platzes errichtet hatte, und man sie mit der Hand glättete, um Falten herauszureiben. Mit etwas Glück würde man nichts bügeln müssen. Sie beide wußten, wie man Seide pflegen musste, aber für das Bügeln brauchte man Übung, die sie beide nicht hatten. Die hatte keine von Sevannas Gai’shain , nicht einmal Maighdin, obwohl sie doch Zofe einer Lady gewesen war, bevor sie in Failes Dienste getreten war, aber Sevanna akzeptierte keine Entschuldigungen. Jedes Mal, wenn Faile oder Alliandre gingen, um ein weiteres Stück Wäsche aufzuhängen, überprüften sie die bereits hängenden und glätteten alles, bei dem es allem Anschein nach nötig war.
Faile goss gerade frisches heißes Wasser in den Waschzuber, als Alliandre verbittert sagte: »Da kommt die Aes Sedai.«
Galina war Aes Sedai, komplett mit alterslosem Gesicht und goldenem Schlangenring am Finger, aber auch sie trug das weiße Gewand der Gai’shain – selbstverständlich war es aus Seide, die so dick wie bei den anderen die Wolle war – mitsamt einem breiten, aufwendigen Gürtel aus Gold und Feuertropfen, der ihre Taille eng einschnürte, und einem passenden Kragen um den Hals, Schmuck, der einer Königin zur Ehre gereicht hätte. Sie war Aes Sedai und ritt manchmal allein aus dem Lager, aber sie kehrte immer zurück, und sie sprang, wenn eine Weise Frau auch nur den Finger krumm machte. Mit Therava teilte sie oft das Zelt. In gewisser Weise war Letzteres das Seltsamste von allem. Galina wusste, wer Faile war und mit wem sie verheiratet war und kannte Perrins Verbindung zu Rand al’Thor, und sie drohte, es Sevanna zu verraten, falls Faile und ihre Freundinnen nicht etwas ausgerechnet aus dem Zelt stahlen, in dem sie schlief. Das war die dritte Falle, die auf sie lauerte. Sevanna war besessen
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