Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
hatte die Angewohnheit zu sprechen, wenn sie es nicht sollte.
Samalin erhob sich, um neben Malind zu stehen, und plötzlich kam es zu einem Ansturm, Salita und Berana und Aledrin zusammen, Kwamesa tat es ihnen nur einen Augenblick später gleich. Neun Sitzende auf den Füßen, und so blieb es, während sich die Momente ausdehnten. Egwene wurde sich bewusst, dass sie sich auf die Lippe biss, und hörte schnell damit auf, in der Hoffnung, dass es niemand bemerkt hatte. Sie hoffte, dass sie sie nicht blutig gebissen hatte. Nicht, dass jemand sie ansah. Jeder schien den Atem anzuhalten.
Romanda schaute stirnrunzelnd zu Salita hoch, die mit grauem Gesicht und bebenden Lippen starr geradeaus starrte. Die Schwester aus Tear mochte nicht in der Lage sein, ihre Furcht zu verbergen, aber sie würde den eingeschlagenen Weg weitergehen. Romanda nickte langsam und stand schockierenderweise auf. Auch sie entschied sich, die Regeln zu verletzen. »Manchmal«, sagte sie und schaute Lelaine direkt an, »müssen wir Dinge tun, die wir lieber nicht tun würden.«
Lelaine erwiderte den Blick der grauhaarigen Gelben, ohne zu blinzeln. Ihr Gesicht hätte aus Porzellan sein können. Ihr Kinn hob sich kaum merklich. Und plötzlich stand sie auf und sah Lyrelle ungeduldig an, die sie kurz anstarrte, bevor auch sie sich erhob.
Alle starrten sie an. Niemand machte einen Laut. Es war geschehen.
Jedenfalls fast. Egwene räusperte sich und versuchte Sheriams Aufmerksamkeit zu erregen. Der nächste Teil war Aufgabe der Bewahrerin, aber Sheriam stand da, rieb sich mit den Fingern Tränen von den Wangen und ließ den Blick über die Bänke schweifen, als würde sie zählen, wie viele Sitzende standen, und hoffen, dass sie sich verzählt hatte. Egwene räusperte sich lauter, und die Frau zuckte zusammen und starrte sie an. Und selbst dann schien es eine Ewigkeit zu dauern, bevor sie sich wieder auf ihre Pflicht besann.
»Da der kleine Konsens steht«, verkündete sie mit unsicherer Stimme, »wird der Versuch in die Wege geleitet, zu einer Vereinbarung mit der … Schwarzen Burg zu kommen.« Sie holte tief Luft, richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, und ihre Stimme gewann an Kraft. Sie war wieder auf vertrautem Boden. »Im Interesse der Einigkeit bitte ich, dass alle Sitzenden für den großen Konsens aufstehen.«
Das war ein mächtiger Aufruf. Selbst bei Angelegenheiten, die vom kleinen Konsens entschieden werden konnten, wurde Einigkeit immer bevorzugt, und man arbeitete darauf hin. Es konnten stundenlange Diskussionen, sogar tagelange erforderlich sein, um das zu erreichen, aber die Bemühungen würden nicht aufhören, bis jede Sitzende zustimmte oder es so klar wie Quellwasser war, dass es zu keiner Einigung kommen konnte. Ein mächtiger Aufruf, einer, der jede Schwester ansprach. Delana erhob sich wie eine Marionette, die man gegen ihren Willen in die Höhe zog, und sah sich fragend um.
»Ich kann dafür nicht aufstehen«, sagte Takima gegen jede Ordnung. »Ganz egal, was jemand sagt, ganz egal, wie lange wir sitzen, ich kann es nicht tun, und ich werde es auch nicht tun! Ich – werde – es – nicht – tun!«
Auch sonst stand niemand auf. O ja, Faiselle rutschte auf ihrer Bank herum, machte Anstalten aufzustehen, rückte ihre Stola zurecht, zuckte erneut, als wollte sie aufstehen. Das war so nahe dran, wie jede herankam. Saroiya biss sich mit entsetztem Gesichtsausdruck in den Handrücken, und Varilin sah aus wie eine Frau, der man einen Hammer zwischen die Augen geschlagen hatte. Magla ergriff die Enden ihrer Bank, hielt sich fest und starrte trübsinnig auf den Teppich vor ihr. Offensichtlich war sie sich des finsteren Blicks bewusst, den Romanda auf ihren Nacken richtete, aber ihre einzige Erwiderung bestand darin, die Schultern zu krümmen.
Mit Takima hätte es enden sollen. Es war sinnlos, den großen Konsens zu suchen, wenn jemand deutlich gemacht hatte, dass er dafür nie aufstehen würde. Aber Egwene entschied sich zu ihrem eigenen Bruch mit der Ordnung und den Regeln. »Gibt es eine, die der Meinung ist, wegen dieser Sache ihren Sitz aufgeben zu müssen?«, fragte sie mit lauter und klarer Stimme.
Vielfaches Keuchen erfüllte den Pavillon, aber sie hielt den Atem an. Das konnte sie vernichten, aber es war besser, es jetzt in aller Öffentlichkeit auszutragen, wenn es das sein sollte, was daraus entstand. Saroiya starrte sie wild an, aber niemand regte sich.
»Dann werden wir es tun«, verkündete sie. »Vorsichtig.
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