Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
eine atemberaubend schöne Frau, ihr Haar wurde von einem feinen Goldnetz gehalten, an ihrem Hals und an den Ohren baumelten Feuertropfen, wie immer war sie in blutrote Seide gekleidet, die ihren vollen Busen zur Geltung brachte und ihn heute mit goldenen Rankenstickereien zusätzlich betonte. Hätte man sie nicht gekannt, hätte man auf den Gedanken kommen können, dass sie Männer anziehen wollte. Tsutama hatte ihren Abscheu vor Männern lange Zeit vor ihrem Exil allgemein bekannt gemacht; sie hätte eher einem tollwütigen Hund Gnade erwiesen als einem Mann.
Damals war sie so hart wie ein Hammer gewesen, aber viele hatten sie nach ihrer Rückkehr in die Weiße Burg für ein zerbrochenes Schilfrohr gehalten. Zumindest eine Zeit lang. Dann hatte jeder, der sich in ihrer Nähe aufhielt, erkannt, dass diese ständig umherhuschenden Augen alles andere als Nervosität verkündeten. Das Exil hatte sie verändert, aber es hatte sie nicht weicher gemacht. Diese Augen gehörten einer jagenden Raubkatze, die nach Feinden oder Beute Ausschau hielt. Der Rest von Tsutamas Gesicht zeigte keine abgeklärte Ruhe, sondern stellte eine unleserliche Maske dar. Zumindest bis man sie wütend machte. Aber selbst dann blieb ihre Stimme so ruhig wie Eis. Eine entnervende Kombination.
»Ich habe heute Morgen beunruhigende Gerüchte über die Schlacht bei den Brunnen von Dumai gehört«, sagte sie unvermittelt. »Verdammt beunruhigend.« Sie hatte jetzt die Angewohnheit, lange zu schweigen, nie zu plaudern, und plötzlich unerwartete Feststellungen zu machen. Das Exil hatte auch ihre Ausdrucksweise derb gemacht. Der abgelegene Bauernhof, auf dem man sie unter Arrest gestellt hatte, musste eine … lebhafte … Erfahrung gewesen sein. »Einschließlich der Tatsache, dass drei der toten Schwestern aus unserer Ajah waren. Muttermilch in einem Becher!« Das alles in einem völlig unbewegten Tonfall. Aber ihre Augen blickten sie anklagend an.
Pevara erwiderte den Blick ungerührt. Jeder von Tsutamas Blicken erschien anklagend, und ob Pevara nun nervös war oder nicht, sie wusste es besser, als es die Höchste ihrer Ajah sehen zu lassen. Die Frau stürzte sich wie ein Falke auf Schwächen. »Ich kann nicht verstehen, warum Katerine Euren Befehl missachten sollte, ihr Wissen für sich zu behalten, und Ihr könnt nicht glauben, dass Tarna Elaida diskreditieren würde.« Jedenfalls nicht öffentlich. Tarna hütete ihre Ansichten über Elaida so sorgfältig wie eine Katze ein Mauseloch. »Aber Schwestern erhalten Berichte von ihren Augen-und-Ohren. Wir können nicht verhindern, dass sie erfahren, was passiert ist. Ich bin überrascht, dass es so lange gedauert hat.«
»So ist es«, fügte Javindhra hinzu und glättete die Röcke. Die kantige Frau trug außer ihrem Großen Schlangenring keinerlei Schmuck, ihr Kleid war schmucklos und in einem so dunklen Rot, dass es beinahe wie Schwarz erschien. »Früher oder später werden die Fakten bekannt werden, und wenn wir uns bemühen, bis unsere Finger bluten.« Ihr Mund war so verkniffen, dass sie etwas abzubeißen schien, dennoch klang sie beinahe zufrieden. Seltsam. Sie war Elaidas Schoßhündchen.
Tsutamas Blick richtete sich auf sie, und nach einem Moment stieg Röte in Javindhras Wangen auf. Sie trank einen großen Schluck Tee, vielleicht als Vorwand, den Blickkontakt zu brechen. Natürlich aus einer Tasse aus getriebenem Gold mit fein ziselierten Leoparden und Hirschen, so wie Tsutama nun war. Die Höchste starrte weiter stumm, aber Pevara vermochte nicht mehr zu sagen, ob sie auf Javindhra blickte oder etwas jenseits von ihr.
Als Katerine die Nachricht überbracht hatte, dass Galina zu den Toten von den Brunnen von Dumai gehörte, hatte man Tsutama fast einstimmig erhoben, um sie zu ersetzen. Sie hatte einen guten Ruf als Sitzende gehabt, zumindest vor ihrer Verwicklung in die widerwärtigen Vorfälle, die zu ihrem Sturz führten, und viele der Roten waren der Ansicht, dass die Zeiten nach einer Höchsten verlangten, die so hart war, wie man sie nur finden konnte. Galinas Tod hatte eine große Last von Pevaras Schultern genommen – die Höchste, eine Schattenfreundin; oh, das war eine schlimme Qual gewesen! –, und doch war sie sich unsicher, was Tsutama betraf. Da war jetzt etwas … Wildes … an ihr. Etwas Unberechenbares. War sie noch geistig gesund? Andererseits konnte man diese Frage auf die ganze Weiße Burg ausdehnen. Wie viele der Schwestern waren wirklich noch geistig gesund?
Als
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