Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
Sevanna nach ihr verlangte. Darum die Handtücher.
»Wir könnten mit dem Kussspiel anfangen, das Kinder spielen«, sagte er, »obwohl das Pfand manchmal peinlich ist. Beim Erwachsenenspiel ist das Pfand lustig. Verlieren kann genauso schön wie Gewinnen sein.«
Sie musste lachen, obwohl sie es gar nicht wollte. Der Mann war hartnäckig. Plötzlich sah sie Galina in der Menge in ihre Richtung eilen. Sie hielt ihr weißes Seidengewand aus dem Schlamm und suchte offensichtlich jemanden. Faile hatte gehört, dass die Frau seit dem Morgen wieder Kleidung tragen durfte. Natürlich war sie nie ohne die breite Halskette und den breiten Gürtel und die Feuertropfen gegangen. Die Haare auf ihrem Kopf waren nicht länger als ein Fingernagel, und von allen Dingen hatte man darin ausgerechnet eine große rote Schleife befestigt. Es erschien unwahrscheinlich, dass sie ihre Wahl gewesen war. Allein das Gesicht, dem Faile kein Alter zuordnen konnte, überzeugte sie davon, dass Galina wirklich eine Aes Sedai war. Darüber hinaus war sie sich bei ihr in allem unsicher – abgesehen von der Gefahr, die sie darstellte. Galina entdeckte sie und blieb wie angewurzelt stehen, ihre Hände kneteten das Gewand. Die Aes Sedai musterte Rolan unsicher.
»Ich muss darüber nachdenken, Rolan.« Sie würde ihn nicht wegjagen, bevor sie sich mit Galina sicher sein konnte. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
»Frauen wollen immer Zeit zum Nachdenken haben. Denk daran, wie du deine Probleme bei einem harmlosen Spiel vergessen kannst.«
Der Finger, mit dem er zärtlich über ihre Wange strich, bevor er fortging, ließ sie erbeben. Für Aiel kam es einem Kuss gleich, jemandem in der Öffentlichkeit die Wange zu berühren. Ihr war es wirklich wie ein Kuss vorgekommen. Harmlos? Irgendwie bezweifelte sie, dass es bei einem Spiel, bei dem man Rolan küssen musste, nur beim Küssen bleiben würde. Glücklicherweise würde sie es nicht herausfinden müssen – oder etwas vor Perrin verbergen müssen –, falls sich Galina als ehrlich erwies. Falls sie es tat.
Die Aes Sedai schoss sofort auf sie zu, als Rolan fort war. »Wo ist er?«, verlangte Galina zu wissen und packte ihren Arm. »Sagt es mir! Ich weiß, dass Ihr ihn habt. Ihr müsst ihn haben!« Sie hörte sich fast flehend an. Theravas Behandlung hatte die berühmte Aes-Sedai-Gelassenheit zerschmettert.
Faile schüttelte ihre Hand ab. »Zuerst sagt Ihr mir erneut, dass Ihr meine Freunde und mich mitnehmt, wenn Ihr geht. Sagt es mir geradeheraus. Und sagt mir, wann Ihr geht.«
»Wagt es nicht, so mit mir zu sprechen«, zischte Galina.
Schwarze Punkte tanzten in Failes Sicht, bevor ihr klar wurde, dass sie geschlagen worden war. Zu ihrer Überraschung schlug sie zurück, so hart sie konnte, und ließ die andere Frau taumeln. Sie unterließ es, sich das brennende Gesicht zu halten, aber Galina rieb sich mit vor Unglauben weit aufgerissenen Augen die Wange. Faile stählte sich, vielleicht gegen einen Schlag mit der Macht oder Schlimmeres, aber nichts passierte. Ein paar vorbeigehende Gai’shain starrten sie an, aber niemand blieb stehen oder verlangsamte auch nur das Tempo. Alles, das nach einer Versammlung von Gai’shain aussah, würde die Aufmerksamkeit der Shaido wecken und allen Beteiligten eine Bestrafung einbringen.
»Sagt es«, verlangte sie erneut.
»Ich werde Euch und Eure Freunde mitnehmen«, fauchte Galina förmlich und riss die Hand nach unten. »Ich breche morgen auf. Wenn ich ihn habe. Wenn nicht, wird Sevanna innerhalb der nächsten Stunde wissen, wer Ihr seid!« Nun, das war eine direkte Aussage.
»Er ist in der Stadt versteckt. Ich hole ihn Euch.«
Aber als sie sich umdrehte, ergriff Galina erneut ihren Arm. Die Blicke der Aes Sedai schossen umher, und sie senkte die Stimme, als hätte sie plötzlich Angst, belauscht zu werden. Sie klang ängstlich. »Nein. Ich werde nicht das Risiko eingehen, dass es jemand sieht. Ihr werdet ihn mir morgen früh geben. In der Stadt. Wir treffen uns dort. Am Südende der Stadt. Ich werde das Gebäude markieren. Mit einem roten Halstuch.«
Faile blinzelte. Die Südhälfte von Malden waren ausgebrannte Ruinen. »Warum da?«, fragte sie ungläubig.
»Weil niemand da hingeht, Närrin! Weil uns dort niemand sehen wird!« Galinas Blicke huschten noch immer in alle Richtungen. »Morgen, in aller Frühe. Lasst mich im Stich, und Ihr werdet es bereuen!« Sie hob die Seidenröcke an und verschwand in der Menge.
Faile sah ihr stirnrunzelnd nach.
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