Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
Stimmen hören? Manchmal, ganz selten, sind die Stimmen, die sie hören, die Stimmen früherer Leben. Lanfear behauptete, er wüsste Dinge aus unserem Zeitalter, Dinge, die nur Lews Therin Telamon wissen konnte. Er hört eindeutig Lews Therins Stimme. Es macht aber keinen Unterschied, dass seine Stimme real ist. Tatsächlich verschlimmert das seine Situation noch. Selbst Graendal ist meistens darin gescheitert, eine Reintegration bei jemandem zu erreichen, der eine echte Stimme hörte. Soviel ich weiß, kann der Sturz in den echten Wahnsinn … ganz plötzlich erfolgen.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das die schwarzen Augen nie erreichte.
Sahen sie ihn jetzt mit anderen Augen? Logains Gesicht war eine starre Maske, unleserlich. Bashere sah aus, als könnte er das alles trotzdem nicht glauben. Nynaeves Mund stand offen, ihre Augen waren weit aufgerissen. Der Bund … Einen langen Augenblick war der Bund wie … betäubt. Wenn sich Min von ihm abwandte, dann wusste er nicht, ob er das ertragen konnte. Aber die Betäubung wurde durch Mitgefühl und Entschlossenheit so unverrückbar wie ein Berg ersetzt, und einer Liebe, die hell strahlte, dass er sich daran die Hände hätte wärmen können. Ihr Griff um seinen Arm wurde fester, und er versuchte seine Hand auf die ihre zu legen. Die Erinnerung kam zu spät, und er riss den Stumpf zurück, aber nicht, bevor er sie berührt hatte. In ihrem Bund schwankte nichts, auch nicht um Haaresbreite.
Cadsuane trat einen Schritt auf die größere Frau zu und schaute zu ihr hoch. Einer der Verlorenen gegenüberzustehen schien ihr nicht mehr auszumachen, als dem Wiedergeborenen Drachen gegenüberzustehen. »Ihr seid sehr ruhig für eine Gefangene. Statt die Anschuldigung zu bestreiten, belastet Ihr Euch selbst.«
Semirhage lenkte das kalte Lächeln von Rand auf Cadsuane. »Warum sollte ich mich selbst verleugnen?« Jedes einzelne ihrer Worte troff vor Stolz. »Ich bin Semirhage.« Jemand keuchte auf, und einige der Sul’dam und Damane fingen an zu zittern und zu weinen. Eine Sul’dam , eine hübsche blonde Frau, erbrach sich plötzlich über die Brust, und eine andere, stämmig und dunkelhäutig, sah aus, als würde sie es ihr gleich nachmachen.
Cadsuane nickte bloß. »Ich bin Cadsuane Melaidhrin. Ich freue mich auf lange Gespräche mit Euch.« Semirhage grinste verächtlich. An Mut hatte es ihr noch nie gemangelt.
»Wir hielten sie für die Hochlady«, beeilte sich Falendre zu sagen und klang zugleich zögernd. Sie schien kurz davor, mit den Zähnen zu klappern, aber sie zwang die Worte heraus. »Wir dachten, wir würden geehrt. Sie brachte uns im Tarasin-Palast in ein Zimmer, in dem … in dem ein Loch in der Luft war, und wir traten hindurch und befanden uns an diesem Ort. Ich schwöre es bei meinem Augenlicht! Wir hielten sie für die Hochlady.«
»Also kommt kein Heer auf uns zu«, sagte Logain. Seinem Ton war nicht anzumerken, ob er erleichtert oder enttäuscht war. Er zog das Schwert einen Fingerbreit und stieß es zurück in die Scheide. »Was machen wir mit ihnen?« Er deutete ruckartig mit dem Kopf auf die Sul’dam und Damane . »Schicken wir sie wie die anderen nach Caemlyn?«
»Wir schicken sie zurück nach Ebou Dar«, sagte Rand. Cadsuane drehte sich um und starrte ihn an. Ihr Gesicht war eine perfekte Maske der Aes-Sedai-Gelassenheit, doch er bezweifelte, dass sie innerlich tatsächlich gelassen war. Das Anleinen von Damane war eine Abscheulichkeit, die Aes Sedai persönlich nahmen. Nynaeve war alles andere als gelassen. In ihrem Blick funkelte der Zorn, sie hielt ihren Zopf so fest mit der Faust umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortraten; sie öffnete den Mund, aber er kam ihr zuvor. »Ich brauche diesen Waffenstillstand, Nynaeve, und diese Frauen gefangen zu nehmen wird mir dabei nicht helfen. Streite nicht mit mir. So würden sie es bezeichnen, und die Damane auch, und du weißt das genauso so gut wie ich. Sie können die Nachricht überbringen, dass ich die Tochter der Neun Monde treffen will. Die Thronerbin allein kann einem Waffenstillstand Bestand verleihen.«
»Es gefällt mir trotzdem nicht«, sagte sie entschieden. »Wir könnten die Damane befreien. Die anderen können genauso gut Botschaften übermitteln.« Die Damane , die zuvor nicht geweint hatte, brach jetzt in Tränen aus. Ein paar von ihnen flehten die Sul’dam an, sie zu retten. Nynaeve sah aus, als würde ihr jetzt übel, aber sie warf nur die Hände nach oben und
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