Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
laut ausgesprochene Gedanken.«
»In Spekulation liegt oft Wahrheit. Ihr habt den Wiedergeborenen Drachen in eine Kiste gesperrt; soeben habt Ihr mir das Gleiche angedroht, vor all diesen Zeuginnen. Das Volk nennt ihn einen Tyrannen, aber Ihr seid diejenige, die unsere Gesetze missachtet und durch Angst herrscht.«
Elaida riss die Augen weit auf, ließ ihren Zorn erkennen. Sie erschien … ungläubig. So als könnte sie einfach nicht begreifen, wieso aus der Disziplinierung einer störrischen Novizin die Debatte mit einer Gleichgestellten geworden war. Egwene sah, wie sie anfing, einen Strom Luft zu weben. Das musste verhindert werden. Ein Knebel aus Luft würde dieser Debatte ein Ende bereiten.
»Macht schon«, sagte sie ruhig. »Bringt mich mit der Macht zum Schweigen. Solltet Ihr als Amyrlin nicht dazu fähig sein, einen Kontrahenten mit Worten zum Gehorsam zu bewegen, statt auf Gewalt zurückzugreifen?«
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die zierliche Yukiri von den Grauen bei dieser Bemerkung nickte.
Wütend ließ Elaida den Strom Luft fallen. »Ich muss keine Novizin widerlegen«, fauchte sie. »Die Aymrlin erklärt sich nicht vor einer wie Euch.«
»›Die Amyrlin versteht die kompliziertesten Bekenntnisse und Debatten‹«, zitierte Egwene aus der Erinnerung. »›Und doch ist sie am Ende die Dienerin von allen, selbst des niedrigsten aller Arbeiter.‹« Das hatte Balladare Arandaille gesagt, die erste Amyrlin, die man aus der Braunen Ajah erhoben hatte. Sie hatte das in ihren letzten Aufzeichnungen vor ihrem Tod niedergeschrieben; diese Aufzeichnungen waren eine Erklärung für ihre Herrschaft und ihre Taten während der Kavarthenkriege gewesen. Arandaille war der Ansicht gewesen, dass eine Amyrlin nach dem Ende einer Krise die moralische Verpflichtung hatte, sich dem einfachen Volk zu erklären.
Shevan nickte beifällig. Das Zitat war eher obskur; Egwene segnete Siuans beharrliche Ausbildung in der Weisheit der früheren Amyrlins. Vieles davon stammte aus den geheimen historischen Aufzeichnungen, aber darunter waren auch ein paar vielsagende Erklärungen von Frauen wie Balladere gewesen.
»Was faselt Ihr da für einen Unsinn?«, kreischte Elaida.
»Was wolltet Ihr eigentlich mit Rand al’Thor machen, nachdem Ihr ihn gefangen genommen hattet?«, fragte Egwene und ignorierte die Bemerkung.
»Ich verstehe nicht …«
»Ihr antwortet nicht mir, sondern ihnen .« Egwene deutete mit dem Kopf auf die anderen Frauen am Tisch. »Habt Ihr Euch erklärt, Elaida? Wie sahen Eure Pläne aus? Oder wollt Ihr dieser Frage genauso wie meinen anderen Fragen ausweichen?«
Elaidas Wangen röteten sich, aber mit einiger Mühe brachte sie sich wieder unter Kontrolle. »Ich hätte ihn hier in der Burg gut abgeschirmt sicher untergebracht, bis es Zeit für die Letzte Schlacht gewesen wäre. Das hätte ihn daran gehindert, in so vielen Nationen all dieses Leid und Chaos anzurichten. Das war das Risiko wert, ihn zu erzürnen.«
»›Er soll die Leben der Menschen aufbrechen, wie der Pflug die Erde aufbricht, und alles, was gewesen ist, soll von der Glut seiner Augen vereinnahmt werden‹«, zitierte Egwene. »›Die Kriegsposaunen sollen ihm nachklingen, die Raben sollen sich an seiner Stimme nähren, und er soll eine Krone aus Schwertern tragen.‹«
Die Amyrlin runzelte verwirrt die Stirn.
» Der Karaethon-Zyklus, Elaida. Als Ihr Rand wegsperren wolltet, um ihn ›sicher‹ unterzubringen, hatte er sich da schon Illian genommen? Trug er da schon das, was er als Krone der Schwerter bezeichnen sollte?«
»Nun, nein.«
»Und wie sollte er Eurer Meinung nach die Prophezeiungen erfüllen, wenn er in der Weißen Burg versteckt werden sollte? Wie sollte er Kriege auslösen, was er den Prophezeiungen zufolge tun muss? Wie sollte er die Nationen zerbrechen und sie an sich binden? ›Er wird sein Volk mit dem Schwert des Friedens töten‹ und ›Er wird die Neun Monde fesseln, sodass sie ihm dienen‹, wie sollte er das alles vollbringen, wenn er weggesperrt ist? Steht nicht in den Prophezeiungen, dass er frei sein wird? Sprechen sie nicht vom ›Chaos, das ihm nachfolgt‹? Wie soll das alles passieren, wenn er in Ketten gehalten wird?«
»Ich …«
»Eure Logik ist erstaunlich«, sagte Egwene kalt. Das ließ Ferane schmal lächeln; vermutlich war sie gerade in ihrer Meinung bestärkt worden, dass Egwene gut in die Weiße Ajah passen würde.
»Pah, Eure Fragen sind bedeutungslos. Die Prophezeiungen hätten sich
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