Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
Elaida vor den Sitzenden benahm.
»Beim Licht!«, flüsterte Rubinde.
»Ich wünschte, ich würde hier nicht gebraucht, Elaida«, sagte Egwene leise. »Ich wünschte, die Burg hätte in Euch eine großartige Amyrlin. Ich wünschte, ich könnte zurücktreten und Eure Herrschaft akzeptieren. Ich wünschte, Ihr würdet sie verdienen. Bereitwillig würde ich der Hinrichtung entgegensehen, wenn das bedeuten würde, eine kompetente Amyrlin zu hinterlassen. Die Weiße Burg ist wichtiger als ich. Könnt Ihr das Gleiche sagen?«
»Du willst hingerichtet werden!«, bellte Elaida, die ihre Sprache wiederfand. »Nun, das wird aber nicht passieren! Der Tod ist zu gut für dich, Schattenfreundin! Ich werde dafür sorgen, dass man dich prügelt, dass alle sehen können, wie du ausgepeitscht wirst, bis ich mit dir fertig bin! Und erst dann wirst du sterben!« Sie wandte sich den Dienern zu, die an der Seite des Raumes standen und ungläubig starrten. »Holt Soldaten! Ich will, dass die da in die tiefste Zelle geworfen wird, die es in der Burg gibt! Lasst in der ganzen Stadt verkünden, dass Egwene al’Vere eine Schattenfreundin ist, die die Gnade der Amyrlin zurückgewiesen hat!«
Die Diener liefen los. Und noch immer trafen die Peitschenschläge, aber Egwene wurde taub. Sie schloss die Augen und fühlte sich leicht schwindlig – am linken Arm, wo die tiefsten Schnitte waren, hatte sie viel Blut verloren.
Die Situation war eskaliert, genau wie sie befürchtet hatte. Sie hatte sich für ihr Schicksal entschieden.
Aber sie fürchtete nicht um ihr Leben. Stattdessen fürchtete sie um die Weiße Burg. Als sie sich gegen die Wand lehnte und ihre Gedanken verschwammen, überfiel sie Trauer.
Ihre Schlacht aus dem Inneren der Burg heraus hatte endgültig ein Ende gefunden.
KAPITEL 17
Fragen der Kontrolle
I hr solltet vorsichtiger sein«, sagte Sarene. »Wir haben großen Einfluss auf den Amyrlin-Sitz. Vielleicht könnten wir sie dazu überreden, Eure Strafe nicht so schlimm ausfallen zu lassen. Falls Ihr mitarbeitet.«
Semirhages verächtliches Schnauben war noch auf dem Korridor zu hören, wo Cadsuane vor dem Verhörzimmer auf einem bequemen Holzstuhl saß und an einer Tasse lauwarmen Süßblatttee nippte. Der Korridor bestand aus schlichtem Holz und war mit langen weißen und weinroten Teppichen ausgelegt; in prismenähnlichen Lampen an den Wänden flackerte helles Licht.
Sie hatte Gesellschaft – Daigian, Erian und Elza, die dafür zuständig waren, Semirhages Abschirmung aufrechtzuerhalten. Mit Ausnahme von Cadsuane wechselten sich alle Aes Sedai im Lager damit ab. Es war einfach zu gefährlich, diese Pflicht allein den Aes Sedai mit geringerem Status aufzuzwingen, denn man befürchtete, sie könnten ermüden. Die Abschirmung musste stark bleiben. Allein das Licht wusste, was passieren würde, sollte sich Semirhage befreien können.
Cadsuane trank ihren Tee, den Rücken zur Wand gerichtet. Al’Thor hatte darauf bestanden, dass auch »seine« Aes Sedai die Gelegenheit erhielten, Semirhage zu verhören, und nicht nur ihre Leute. Sie war sich nicht sicher, ob das ein Versuch sein sollte, seine Autorität zu beweisen, oder ob er wirklich glaubte, diese Frauen könnten da Erfolg haben, wo sie – bis jetzt – versagt hatte.
Was nun auch zutraf, darum stellte Sarene heute die Fragen. Die Weiße aus Tarabon war eine bedächtige Person und hatte nicht die geringste Ahnung, dass sie eine der schönsten Frauen war, die in den letzten Jahren die Stola errungen hatten. Ihre Unbekümmertheit kam nicht unerwartet, schließlich gehörte sie zu den Weißen Ajahs, die genauso weltfremd wie die Braunen sein konnten. Sarene wusste auch nicht, dass Cadsuane draußen lauschte, und zwar mit einem kleinen Gewebe aus Geist. Ein einfacher Trick, den Novizinnen oft lernten. Kombiniert mit diesem neuen Trick, die Gewebe umzudrehen, bedeutete das, dass sie lauschen konnte, ohne dass jemand drinnen auch nur etwas von ihrer Anwesenheit ahnte.
Die Aes Sedai auf dem Korridor sahen natürlich, was sie da tat, aber keiner sagte etwas. Obwohl zwei von ihnen – Elza und Erian – zu der Gruppe von Närrinnen gehörten, die dem jungen al’Thor die Treue geschworen hatten, verhielten sie sich in ihrer Gegenwart vorsichtig; sie wussten, was sie von ihnen hielt. Dumme Frauen. Manchmal hatte es den Anschein, als wäre die Hälfte ihrer Verbündeten entschlossen, ihr die Arbeit absichtlich zu erschweren.
Sarene fuhr mit ihrem Verhör fort.
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