Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
eine Entscheidung treffen. Bleiben und kämpfen oder an einen schlechteren Ort flüchten, aber dadurch etwas Zeit gewinnen?
Die Hütte ächzte, und der Wind schüttelte die Bäume, als Ituralde in den bewölkten Morgen hinaustrat. Die Hütte war natürlich nicht von Ogiern erbaut. Dafür war sie zu hinfällig. Dieses Stedding war schon vor langer Zeit aufgegeben worden. Seine Männer lagerten zwischen den Bäumen. Kaum der beste Ort für ein Kriegslager, aber Suppe machte man mit den Gewürzen, die einem zur Verfügung standen. Das Stedding war viel zu nützlich, um daran vorbeizuziehen. Ein anderer Mann wäre vielleicht in eine Stadt geflohen und hätte sich hinter ihren Mauern versteckt, aber zwischen diesen Bäumen war die Eine Macht nutzlos. Die seanchanischen Damane ihrer Kräfte zu berauben war besser als jede Mauer, ganz egal, wie hoch sie auch sein mochte.
Wir müssen bleiben, dachte Ituralde und sah seinen Männern bei der Arbeit zu, wie sie Gräben schaufelten und eine Palisade errichteten. Der Gedanke, in einem Stedding Bäume zu fällen, war ihm verhasst. In seinem Leben hatte er einige Ogier kennengelernt, und er respektierte sie. Diese gewaltigen Eichen bewahrten vielleicht noch etwas von der Kraft der Ogier, die hier gelebt hatten. Sie zu fällen war ein Verbrechen. Aber man tat, was man tun musste. Die Flucht würde ihm vielleicht noch mehr Zeit erkaufen, aber genauso gut konnte sie ihn auch Zeit kosten . Er hatte noch ein paar Tage, bevor die Seanchaner zuschlagen würden. Falls es ihm gelang, sich hier gut einzugraben, konnte er sie vielleicht zu einer Belagerung zwingen. Das Stedding würde sie zögern lassen, und der Wald wäre ein Vorteil für seine kleinere Streitmacht.
Er hasste es, sich einsperren zu lassen. Das war vermutlich der Grund, warum er so lange darüber nachgedacht hatte, obwohl er tief im Inneren doch genau wusste, dass der Zeitpunkt gekommen war, mit dem Weglaufen aufzuhören. Die Seanchaner hatten ihn endlich gestellt.
Er ging weiter die Ränge entlang, nickte den arbeitenden Männern zu, ließ sich sehen. Er verfügte noch über vierzigtausend Soldaten, was ein Wunder war, wenn man bedachte, wogegen sie angetreten waren. Eigentlich hätten diese Männer mit gutem Grund desertieren sollen. Aber sie hatten erlebt, wie er eine unmögliche Schlacht nach der anderen gewonnen hatte, wie er unter immer lauterem Applaus eine Kugel nach der anderen in die Luft geworfen hatte. Sie hielten ihn für unaufhaltsam. Sie hatten nicht begriffen, dass, wenn man immer mehr Kugeln in die Luft warf, nicht nur die Vorstellung immer spektakulärer wurde.
Das Scheitern am Ende wurde ebenfalls spektakulärer.
Ituralde behielt seine finsteren Gedanken für sich, als er und Rajabi durch das Waldlager gingen und die Palisade begutachteten. Sie machte gute Fortschritte, die Männer stemmten dicke Baumstämme in frisch gegrabene Löcher. Nach seiner Inspektion nickte er. »Rajabi, wir bleiben. Sagt es weiter.«
»Einige der anderen sind der Meinung, dass hier zu bleiben den sicheren Tod bedeutet«, erwiderte Rajabi.
»Sie irren sich.«
»Aber …«
»Nichts ist sicher, Rajabi«, sagte Ituralde. »Füllt die Bäume innerhalb der Palisade mit Bogenschützen; die werden fast genauso effektiv wie Türme sein. Wir müssen da draußen ein Schlachtfeld bauen. Fällt so viele Bäume um die Palisade herum wie möglich, dann macht innerhalb der Mauer aus den Baumstämmen Barrikaden, eine zweite Rückzugsmöglichkeit. Die halten wir. Vielleicht irre ich mich ja mit diesen Tarabonern, vielleicht reiten sie uns ja zu Hilfe. Vielleicht hat der König auch irgendwo ein Heer verborgen, das uns verteidigt. Blut und Asche, vielleicht wehren wir sie hier auch allein ab. Wir werden ja sehen, wie es ihnen gefällt, ohne ihre Damane kämpfen zu müssen. Wir werden überleben.«
Rajabi straffte sich sichtlich, wurde selbstsicherer. Das waren die Worte, die er erwartet hatte, wie Ituralde nur zu genau wusste. Genau wie die anderen vertraute auch Rajabi dem kleinen Wolf. Sie glaubten einfach nicht, dass er scheitern konnte.
Ituralde wusste es besser. Aber wenn man schon sterben musste, dann tat man es mit Würde. Der junge Ituralde hatte oft von Kriegen geträumt, vom Ruhm der Schlacht. Der alte Ituralde wusste, dass es so etwas wie Ruhm in einer Schlacht nicht gab. Aber es gab Ehre.
»Mein Lord Ituralde«, rief ein Läufer und eilte an der unvollendeten Palisadenwand vorbei. Er war noch ein Knabe, jung genug, dass ihn
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