Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)
Aludra beharrte darauf, dass ihre Befehle ganz genau ausgeführt wurden, und hatte die Männer gezwungen, die Röhre dreimal neu zu gießen.
Spät am vergangenen Abend war in der Stadt ein lauter Knall zu hören gewesen. Als wäre irgendwo eine Steinmauer umgestürzt oder ein Blitz eingeschlagen. Am Morgen hatte Elayne eine Nachricht von Aludra bekommen.
Erster Test ein Erfolg, hatte dort gestanden. Trefft mich heute auf der Stadtmauer für eine Demonstration.
»Euer Majestät«, sagte Aludra. »Euch geht es … gut?«
»Seid unbesorgt, Aludra«, erwiderte Elayne und versuchte ihre Würde zu bewahren. »Der Drache ist bereit?«
»Das ist er«, erwiderte Aludra. Sie trug ein langes braunes Kleid, und ihr langes, gelocktes schwarzes Haar fiel ihr offen bis zur Taille. Warum heute keine Zöpfe? Aludra schien sich nichts aus Schmuck zu machen, und Elayne hatte sie auch nie welchen tragen gesehen. In ihrer Nähe standen fünf Männer aus Mats Bande der Roten Hand, von dem einer etwas trug, das wie die Bürste eines Schornsteinfegers aussah. Ein anderer hielt eine Eisenkugel in den Händen, ein dritter trug ein kleines Holzfass.
Auf dem nächsten Turm konnte Elayne eine ähnliche Gruppe sehen. Dort hob jemand einen Hut in die Luft und winkte ihr zu. Anscheinend wollte Mat von dem Turm mit dem funktionierenden Drachen zusehen. Leichtsinniger Trottel. Was, wenn das Ding wie eine Nachtblume explodierte?
»Dann wollen wir mit den Demonstrationen beginnen«, sagte Aludra. »Diese Männer hier werden Euch vorführen, was auf dem anderen Turm geschieht.« Sie zögerte und sah Elayne an. »Ich finde, wir sollten Euer Majestät in die Höhe stemmen, damit Ihr das Schauspiel sehen könnt.«
Wenige Minuten später hatten sie ein paar kleine Kisten gefunden, die man unter der Trage stapeln konnte, sodass Elayne nun über die Turmzinnen schauen konnte. Anscheinend hatte man etwas auf einem fernen Hügel aufgebaut, allerdings war es zu weit weg, als dass sie die Einzelheiten ausmachen konnte. Aludra holte mehrere Ferngläser hervor und gab je eines an sie und Birgitte weiter.
Elayne hob das Fernrohr ans Auge. Kleiderpuppen. Aludra hatte fünfzig von ihnen in Reihen auf dem fernen Hügel aufgestellt. Beim Licht! Wo hatte sie so viele davon her? Vermutlich würde Elayne ein paar ausführliche Briefe von den Schneidern der Stadt bekommen.
Mat hatte versprochen, dass das jeden Preis wert sein würde. Natürlich war hier die Rede von Mat. Er war nicht unbedingt die verlässlichste Person, wenn es um solche Dinge ging.
Er ist nicht derjenige, der ein unschätzbares Ter’angreal an den Schatten verloren hat, rief sie sich in Erinnerung. Sie runzelte die Stirn. In der Tasche trug sie eine weitere Kopie des Fuchskopfes. Es war eine von dreien, die sie bis jetzt hatte herstellen können. Wenn sie schon ans Bett gefesselt war, dann konnte sie ihre Zeit auch genauso gut nutzen. Es wäre weniger frustrierend gewesen, hätte sie ständig die Macht lenken können.
Alle drei Reproduktionen des Fuchskopf-Medaillons funktionierten genau wie die erste Kopie. Solange sie sie hielt, konnte sie die Macht nicht lenken, und ein mächtiges Gewebe konnte sie überwältigen. Sie brauchte das Original wirklich noch länger, um es genauer studieren zu können.
»Wie Ihr seht, Euer Majestät«, sagte Aludra steif, als wäre sie nicht daran gewöhnt, eine Demonstration zu geben, »haben wir versucht, die Bedingungen nachzustellen, unter denen Ihr die Drachen einsetzen würdet, ja?«
Nur dass wir es statt mit fünfzig Kleiderpuppen mit hunderttausend Trollocs zu tun haben werden, dachte Elayne.
»Ihr solltet zum nächsten Turm schauen«, sagte Aludra gestikulierend.
Elayne richtete das Fernrohr auf den benachbarten Turm. Dort standen fünf uniformierte Mitglieder der Bande an dem Drachen. Mat musterte das Ding und schaute ins Rohr.
»Sie haben etwas mit dem Drachen geübt«, fuhr Aludra fort. »Aber sie sind nicht so effizient, wie ich es gern hätte. Für den Augenblick werden sie reichen, ja?«
Elayne senkte das Fernrohr, als die Männer das Modell zurückrollten – es war mit Rädern ausgestattet – und das Rohr ein Stück zum Himmel hinaufkippten. Einer schüttete etwas schwarzes Pulver aus seinem Fässchen hinein, dann stopfte ein anderer irgendeinen Pfropfen nach. Der Mann mit der langen Stange rammte sie dann in das Rohr hinein. Er hielt in Wahrheit gar keine Schornsteinbürste, sondern eine Art Werkzeug, mit dem man alles feststopfen
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