Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
Frau, es ist mitten in der Nacht!«
»Ja. Eine Zeit, in der nur Meuchelmörder zu Besuch kommen. Ihr habt Glück, dass ich nicht richtig gezielt habe, Matrim Cauthon.«
»Das ist verdammt noch mal egal«, erwiderte Mat. »Ihr seid ihre Leibwächterin.«
»Ich weiß nicht, was Ihr damit meint«, sagte Selucia und ließ die kleine Armbrust in ihrem Gewand verschwinden. »Ich bin So’jhin der Kaiserin, möge sie ewig leben. Ich bin ihre Stimme und ihre Wahrheitssprecherin.«
»Toll«, sagte Mat und betrachtete das Bett. »Ihr spielt den Lockvogel, nicht wahr? Liegt in ihrem Bett. Die Armbrust bereit, sollten Attentäter versuchen, sich einzuschleichen?«
Selucia schwieg.
»Nun, wo ist sie?«, verlangte Mat zu wissen. »Verdammte Asche, Frau! Das ist eine ernste Angelegenheit. General Galgan persönlich hat Männer bezahlt, um sie zu töten!«
»Darum geht es?«, fragte Selucia. »Darum seid Ihr besorgt?«
»Und ob ich das verdammt noch mal bin.«
»Wegen Galgan braucht sich niemand Sorgen zu machen«, sagte Selucia. »Er ist ein zu guter Soldat, um unsere derzeitigen Bemühungen um Stabilität zu sabotieren. Um Krisa solltet Ihr Euch Sorgen machen. Sie hat drei Meuchelmörder aus Seanchan geholt.« Selucia warf einen Blick zur Balkontür. Zum ersten Mal fiel Mat ein Fleck auf dem Boden auf, der möglicherweise Blut war. »Bis jetzt habe ich zwei erwischt. Schade. Ich hatte Euch für den dritten gehalten.« Sie musterte ihn, als würde sie in Betracht ziehen, dass er sämtlicher Logik zum Trotz dieser Attentäter war.
»Ihr seid einfach bloß verrückt«, verkündete Mat, zog seinen Hut zurecht und holte den Ashandarei . »Ich gehe zu Tuon.«
»Das ist nicht länger ihr Name, möge sie ewig leben. Man kennt sie als Fortuona, aber Ihr solltet sie mit keinem dieser Namen ansprechen, sondern bloß als ›Höchstgeborene‹ oder ›Größte‹.«
»Ich nenne sie, wie ich es verdammt noch mal für richtig halte«, sagte Mat. »Wo ist sie?«
Selucia musterte ihn.
»Ich bin kein Attentäter!«
»Dafür halte ich Euch auch nicht. Ich versuche lediglich zu entscheiden, ob es ihr recht wäre, wenn ich Euch den Ort verrate.«
»Ich bin ihr Ehemann, oder nicht?«
»Seid still«, sagte Selucia. »Ihr habt gerade versucht, mich davon zu überzeugen, dass Ihr kein Attentäter seid, und dann kommt Ihr damit? Dummer Mann. Sie ist im Palastgarten.«
»Es ist …«
»… mitten in der Nacht«, unterbrach Selucia ihn. »Ja, ich weiß. Sie hört nicht immer auf die Logik.« Er entdeckte einen Hauch von Verzweiflung in ihrer Stimme. »Sie hat eine ganze Abteilung Totenwächter um sich.«
»Es interessiert mich nicht, ob sie den Schöpfer selbst dabeihat«, fauchte Mat und ging zurück zum Balkon. »Ich werde sie auf einen Stuhl setzen und ihr ein paar Dinge erklären.«
Selucia folgte ihm, lehnte sich gegen den Türrahmen und sah ihn skeptisch an.
»Nun, vielleicht setze ich sie nicht auf einen Stuhl«, sagte Mat und schaute über das Geländer nach unten in den Garten. »Aber ich werde ihr – mit logischen Argumenten – erklären, warum sie nicht auf diese Weise in der Nacht herumspazieren kann. Zumindest werde ich es erwähnen. Blut und verdammte Asche. Wir sind wirklich ganz schön hoch hier, was?«
»Normale Menschen nehmen die Treppe.«
»Jeder Soldat in der Stadt hält nach mir Ausschau«, sagte Mat. »Ich glaube, Galgan will mich verschwinden lassen.«
Selucia schürzte die Lippen.
»Das habt Ihr nicht gewusst?«
Sie zögerte, dann aber schüttelte sie den Kopf. »Es ist nicht unvorstellbar, dass Galgan nach Euch Ausschau hält. Unter normalen Umständen wäre der Prinz der Raben eine Konkurrenz. Er ist der General unserer Heere, aber diese Aufgabe wird oft dem Prinzen der Raben übertragen.«
Der Prinz der Raben. »Erinnert mich bloß nicht daran«, sagte Mat. »Ich habe das immer für meinen Titel gehalten, als ich mit der Tochter der Neun Monde verheiratet wurde. Hat der sich nicht mit ihrer Thronbesteigung geändert?«
»Nein«, erwiderte Selucia. »Noch nicht.«
Mat nickte, dann seufzte er, als er den Abstieg betrachtete. Er schob ein Bein über die Brüstung.
»Es gibt einen anderen Weg«, sagte Selucia. »Kommt mit, bevor Ihr Euch noch Euren blöden Hals brecht. Ich weiß noch immer nicht, was sie eigentlich mit Euch will, aber ich bezweifle, dass sie Euch in den Tod stürzen sehen will.«
Dankbar hüpfte Mat von der Brüstung und folgte Selucia in das Gemach. Sie öffnete einen Schrank,
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