Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
warten.
Tam stand über einen Reisetisch gebeugt und studierte Karten. Rand lächelte. Er trug den gleichen Ausdruck, mit dem er ein Schaf gemustert hätte, das sich in einem Gebüsch verfangen hatte.
»Du scheinst der Ansicht zu sein, dass man auf mich aufpassen muss«, sagte Tam.
Auf diese Bemerkung zu reagieren würde genauso sein, wie zu einer Gruppe Bogenschützen zu gehen und die Männer herauszufordern, ihn zu treffen, entschied Rand. Stattdessen legte er sein Bündel auf den Tisch. Tam betrachtete den langen verhüllten Gegenstand, dann zupfte er an dem Stoff. Er teilte sich und enthüllte ein majestätisches Schwert mit einer schwarz lackierten Scheide, auf die man ineinander verschlungene Drachen aus Rot und Gold gemalt hatte.
Tam sah fragend auf.
»Du hast mir dein Schwert gegeben«, sagte Rand. »Und ich konnte es nicht zurückgeben. Das ist ein Ersatz.«
Tam zog das Schwert aus seiner Scheide, und seine Augen weiteten sich. »Das ist ein zu kostbares Geschenk, mein Sohn.«
»Nichts ist zu kostbar für dich«, flüsterte Rand. »Nichts.«
Tam schüttelte den Kopf und schob die Klinge zurück in ihre Scheide. »Das endet doch nur wieder in einer Truhe, so vergessen wie das letzte. Ich hätte dieses Ding niemals mit nach Hause nehmen sollen. Du misst dieser Klinge zu viel Wert bei.« Er wollte ihm das Schwert zurückgeben.
Rand hinderte ihn daran. »Bitte. Ein Klingenmeister verdient eine ihm entsprechende Waffe. Nimm sie – es würde mein Gewissen erleichtern. Das Licht allein weiß, dass jede erleichterte Bürde in den kommenden Tagen helfen wird.«
Tam verzog das Gesicht. »Das ist ein schmutziger Trick, Rand.«
»Ich weiß. In letzter Zeit habe ich mich nur mit widerwärtigen Typen umgeben. Könige, Sekretäre, Lords und Ladys.«
Widerstrebend nahm Tam das Schwert wieder an sich.
»Betrachte es als Dankeschön der ganzen Welt«, sagte Rand. »Hättest du mir nicht vor so vielen Jahren das mit der Flamme und dem Nichts beigebracht … Beim Licht, Tam. Ich wäre jetzt nicht hier. Ich wäre tot, davon bin ich überzeugt.« Er betrachtete das Schwert. »Schon seltsam. Hättest du nicht gewollt, dass ich ein guter Bogenschütze werde, hätte ich nie die eine Sache gelernt, die mich in schwierigen Zeiten bei Verstand hielt.«
Tam schnaubte. »Die Flamme und das Nichts haben aber nichts mit Bogenschießen zu tun.«
»Ja, ich weiß. Das ist eine Schwertkampftechnik.«
»Das hat auch nichts mit Schwertern zu tun«, sagte Tam und schnallte das Schwert an seinen Gürtel.
»Aber …«
»Bei der Flamme und dem Nichts geht es darum, seinen Mittelpunkt zu finden«, sagte Tam. »Und um Frieden. Wenn ich könnte, würde ich das jedem in diesem Land beibringen, nicht nur Soldaten.« Seine Miene wurde sanfter. »Aber beim Licht, was mache ich denn hier? Dich belehren? Sage mir, wo hast du diese Waffe her?«
»Ich habe sie gefunden.«
»So eine prächtige Klinge habe ich noch nie gesehen.« Tam zog sie wieder aus der Scheide und studierte die Faltungen im Metall. »Sie ist uralt. Und wurde benutzt. Oft benutzt. Sicherlich ist sie gepflegt worden, aber sie lag nicht bloß im Trophäenschrank eines Kriegsherrn. Diese Klinge ist von Männern geschwungen worden. Sie haben mit ihr getötet.«
»Sie gehörte … einer verwandten Seele.«
Tam sah ihn an und versuchte, den Ausdruck in seinen Augen zu erforschen. »Nun, dann sollte ich sie wohl ausprobieren. Komm mit.«
»Jetzt noch?«
»Es ist noch früh am Abend«, sagte Tam. »Das ist eine gute Zeit. Das Übungsgelände wird nicht überfüllt sein.«
Rand hob eine Braue, ging aber aus dem Weg, als Tam den Tisch umrundete und das Zelt verließ. Er schloss sich ihm an, die Töchter folgten ihm, und sie begleiteten seinen Vater zu dem in der Nähe gelegenen Übungsgelände, wo ein paar Behüter im Licht von ein paar an Pfählen aufgehängten Laternen miteinander kämpften.
Neben einem Gestell mit hölzernen Übungswaffen zog Tam das neue Schwert und ging ein paar Schwertfiguren durch. Obwohl sein Haar ergraut war und viele Falten seine Augen umringten, bewegte sich Tam al’Thor wie ein Seidentuch im Wind. Rand hatte seinen Vater niemals kämpfen sehen, nicht einmal bei einem Übungskampf. Tatsächlich hatte ein Teil von ihm immer noch Probleme mit der Vorstellung, dass der sanfte Tam al’Thor mehr als Birkhühner für den Kochtopf tötete.
Jetzt sah er es. Im Schein der flackernden Laternen schlüpfte Tam al’Thor in die Schwertfiguren wie in ein
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