Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
würde.
Tam würde innehalten, bevor er zuschlug. Rand würde den Kampf verlieren.
Lass los.
Rand veränderte seine Griffposition. Er dachte nicht darüber nach; er tat das, was sich richtig anfühlte. Als Tam in seine Nähe kam, riss er den linken Arm hoch, um seine rechte Seite zu stabilisieren, während er die Klinge kreiseln ließ. Tams Schwert glitt daran ab, schlug sie ihm aber nicht aus der Hand.
Tams Rückhandschlag kam wie erwartet, traf aber Rands Ellbogen, den Ellbogen seines nutzlosen Arms. Er war also doch nicht so nutzlos. Effektiv blockierte er das Schwert, obwohl der Aufprall einen stechenden Schmerz hervorrief.
Tam erstarrte, seine Augen weiteten sich – zuerst vor Überraschung, dass sein Hieb abgewehrt worden war, dann in offensichtlicher Sorge, weil er Rand einen ordentlichen Treffer zugefügt hatte. Vermutlich hatte er sogar einen Knochen gebrochen.
»Rand«, sagte er. »Ich …«
Rand trat einen Schritt zurück, legte den verletzten Arm auf den Rücken und hob das Schwert. Er atmete die überwältigenden Gerüche einer verwundeten Welt ein – verwundet, aber nicht tot.
Er griff an. ›Der Eisvogel räubert in den Nesseln‹. Rand wählte die Schwertfigur nicht bewusst, es passierte einfach. Vielleicht war es seine Haltung, das Schwert gerade ausgestreckt, den anderen Arm auf den Rücken gelegt. Das führte ihn automatisch in die offensive Figur.
Tam wehrte den Angriff misstrauisch ab, machte einen Schritt zur Seite. Rand glitt in seine nächste Schwertfigur. Er versuchte, seine Instinkte auszuschalten, und sein Körper passte sich der Herausforderung an. Sicher geborgen im Nichts erübrigte sich die Frage, wie das möglich war.
Jetzt begann der Wettkampf richtig. Die Schwerter trafen mit scharfen Hieben aufeinander, Rand hielt die Hand auf dem Rücken und fühlte, wie sein nächster Schlag aussehen sollte. Er kämpfte nicht so gut wie früher. Das konnte er nicht; manche Figuren waren ihm unmöglich, und er konnte auch nicht mit so viel Kraft wie gewohnt zuschlagen.
Er war Tam ebenbürtig. Bis zu einem gewissen Grad. Jeder Schwertkämpfer vermochte zu sagen, wer bei einem Kampf der bessere von ihnen war. Oder zumindest, wer im Vorteil war. Das war Tam eindeutig. Rand war jünger und stärker, aber Tam war einfach so unerschütterlich . Er hatte den Kampf mit nur einer Hand geübt. Davon war Rand überzeugt.
Es war ihm egal. Diese Konzentration … diese Konzentration hatte er vermisst. Dank der Sorgen, die so schwer auf ihm lasteten, seiner Bürde, hatte er für etwas so Einfaches wie ein Übungsduell keine Zeit gehabt. Jetzt fand er sie und warf sich mit Leib und Seele hinein.
Eine Weile war er nicht der Wiedergeborene Drache. Er war nicht einmal ein Sohn mit seinem Vater. Er war ein Schüler mit seinem Meister.
Und so erinnerte er sich daran, dass ganz egal, wie gut er geworden war, ganz egal, woran er sich nun an alles erinnerte, er noch immer so viel lernen konnte.
Sie kämpften weiter. Rand zählte nicht, wer bei welchem Schlagabtausch den Vorteil gehabt hatte; er kämpfte einfach und genoss den Frieden, den ihm das brachte. Schließlich war er erschöpft – aber es war eine gute Art der Erschöpfung, die nichts mit der bleiernen Zermürbung gemeinsam hatte, die er in letzter Zeit immer häufiger verspürt hatte. Es war die Erschöpfung einer hinreichend erledigten Arbeit.
Schwitzend salutierte er Tam mit dem Übungsschwert und zeigte damit an, dass er genug hatte. Sein Vater trat zurück und hob ebenfalls das Schwert. Er grinste.
In der Nähe neben den Laternen fing eine Handvoll Behüter an, zu applaudieren. Kein großes Publikum – nur sechs Männer –, aber Rand hatte sie nicht bemerkt. Die Töchter hoben ihre Speere zum Salut.
»Das war eine ganz schöne Last, nicht wahr?«, fragte Tam.
»Welche Last?«
»Diese verlorene Hand, mit der du dich abgemüht hast.«
Rand betrachtete seinen Stumpf. »Ja. Ich glaube, das war es tatsächlich.«
Tylins Geheimgang führte zum Garten und endete an einem winzigen Loch, das sich nicht weit von der Stelle befand, an der Mat mit seiner Kletterpartie begonnen hatte. Er kroch hinaus, klopfte sich den Staub von den Schultern und den Knien, dann legte er den Kopf in den Nacken und schaute zu dem Balkon in der Höhe empor. Er war zu den Höhen des Gebäudes emporgeklettert und durch seine Eingeweide wieder herausgekrochen. Vielleicht lag darin ja irgendeine Lektion oder Metapher. Vielleicht die, dass Matrim Cauthon nach
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