Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
Schönheit ließ ihn lächeln.
Warum würde ein Gärtner zu dieser Uhrzeit hier arbeiten?, dachte er. Muss ja ein seltsamer Bursche sein.
Mat sah wieder zu dem Mann hin, hatte aber Probleme, ihn auf Anhieb auszumachen. Er trat gerade zwischen zwei Männer der Garde der Totenwache. Es schien sie nicht zu stören. Also hätte es Mat auch nicht stören sollen. Anscheinend vertrauten sie dem Mann ja …
Mat griff in den Ärmel und zog ein Messer. Er hob es, ohne weiter darüber nachzudenken, warum er es tat. Dabei strich seine Hand kaum hörbar über einen Farnwedel.
Tuon riss die Augen auf und blickte trotz des schwachen Lichts direkt in seine Richtung. Sie sah das zum Wurf bereite Messer in seiner Hand.
Dann blickte sie über die Schulter.
Mat warf, und die Klinge wirbelte durch das blaue Licht. Sie passierte Tuons Kinn in einem Abstand von weniger als Fingerbreite und bohrte sich in die Schulter des Gärtners, der ebenfalls gerade mit einem Messer ausholte. Mit einem Keuchen taumelte der Mann zurück. Mat hätte lieber seinen Hals getroffen, aber er hatte nicht das Risiko eingehen wollen, Tuon zu treffen.
Statt das Vernünftige zu tun und aus seiner Nähe zu verschwinden, sprang Tuon auf den Mann zu und schlug mit den Händen nach seiner Kehle. Das ließ Mat lächeln. Unglücklicherweise hatte der Gärtner gerade genug Zeit – und ihr fehlte um Haaresbreite die richtige Position –, um einen Satz rückwärts zu machen und an den verblüfften Totenwächtern vorbeizukommen. Mats zweiter Dolch bohrte sich hinter der Ferse des Attentäters in den Boden, während er in der Nacht verschwand.
In der nächsten Sekunde krachten drei Männer – von denen jeder ungefähr so viel wog wie ein kleines Haus – auf Mat und drückten sein Gesicht in den weichen Boden. Einer trat auf sein Handgelenk, ein anderer nahm ihm den Ashandarei ab.
»Aufhören!«, brüllte Tuon. »Lasst ihn los! Verfolgt den anderen, ihr Narren!«
»Welchen anderen, Majestät?«, fragte ein Wächter. »Da war kein anderer.«
»Und wem gehört dann dieses Blut?«, fragte Tuon und zeigte auf den dunklen Flecken, den der Attentäter auf dem Boden zurückgelassen hatte. »Der Prinz der Raben sah, was ihr nicht gesehen habt. Durchsucht alles!«
Langsam stiegen die Totenwächter von Mat herunter. Er stöhnte. Womit fütterten sie diese Burschen? Mit Ziegelsteinen? Er verabscheute es, »Hoheit« genannt zu werden, aber ein bisschen Respekt wäre ja nett gewesen. Zumindest, wenn es verhindert hätte, dass man sich auf ihn setzte.
Er stand auf und streckte einem verlegen aussehenden Totenwächter die Hand entgegen. Das Gesicht des Burschen hatte mehr Narben als Haut. Er gab Mat den Ashandarei , dann lief auch er los, um den Garten zu durchsuchen.
Offensichtlich vollkommen unerschüttert verschränkte Tuon die Arme. »Ihr habt Euch entschieden, Eure Rückkehr zu mir zu verzögern, Matrim.«
»Meine Rückkehr zu … Ich bin verdammt noch mal hier, um Euch zu warnen, und nicht, um zu Euch ›zurückzukehren‹. Ich bin mein eigener Mann.«
»Wenn Ihr das vorgeben wollt, könnt Ihr das gern tun«, erwiderte Tuon und sah zu, wie die Totenwächter in den Büschen herumsuchten. »Aber Ihr dürft nicht fortbleiben. Ihr seid für das Kaiserreich wichtig, und ich habe Verwendung für Euch.«
»Klingt ja toll«, murrte Mat.
»Was war es?«, fragte sie leise. »Ich habe diesen Mann nicht wahrgenommen, bevor Ihr die Aufmerksamkeit auf ihn lenktet. Diese Wächter sind die Besten im Kaiserreich. Ich habe gesehen, wie Daruo dort vorn mit bloßer Hand einen Pfeil aus der Luft pflückte, und Barrin hat einmal einen Mann daran gehindert, mich anzuhauchen, weil er den Verdacht hatte, ein Attentäter mit einem Mund voll Gift könnte kommen. Er hatte recht.«
»Man nennt es einen Grauen Mann«, sagte Mat und fröstelte. »Sie haben etwas seltsam Gewöhnliches an sich – sie sind schwer zu bemerken, und es kostet große Mühe, sich auf sie zu konzentrieren.«
»Ein Grauer Mann«, sagte Tuon leise. »Und noch mehr Mythen erwachen zum Leben. Wie Eure Trollocs.«
»Trollocs sind real, Tuon. Verdammt …«
»Natürlich sind Trollocs real«, erwiderte sie. »Warum sollte ich das nicht glauben?« Sie sah ihn trotzig an, als fordere sie ihn heraus, die vielen Male zur Sprache zu bringen, in denen sie sie als Mythos bezeichnet hatte. »Dieser Graue Mann scheint ebenfalls real zu sein. Es gibt keine andere Erklärung, warum meine Wächter ihn durchließen.«
»Ich
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