Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
erkennen, wie ähnlich sie sich letztlich doch waren.
Sie trat zu ihm, und er bewegte sich so, dass er direkt neben ihr stand und sie mit der Schulter berührte. Er legte den Arm nicht um sie, und sie nahm auch nicht seine Hand. Er besaß sie nicht, und sie besaß ihn nicht. Dass er sich so hingestellt hatte, dass sie in dieselbe Richtung blickten, bedeutete ihr viel mehr, als jede andere Geste.
»Schatten meines Herzens«, sagte er leise und beobachtete, wie seine Asha’man ein Wegetor öffneten, »was hast du gesehen?«
»Eine Gruft«, erwiderte sie.
»Nein. Die deines Feindes. Der Ort, wo er einst begraben war, und der Ort, wo er wieder schlafen kann.«
Etwas in Rand verhärtete sich. Sie fühlte seine Entschlossenheit.
»Du willst ihn töten«, flüsterte Aviendha. »Den Sichtblender.«
»Ja.«
Sie wartete.
»Andere halten mich für verrückt, weil ich darüber nachdenke«, sagte Rand. Seine Wächter kehrten durch das Tor nach Merrilor zurück.
»Kein Krieger sollte in den Kampf ziehen, ohne fest entschlossen zu sein, dass dieser Kampf auch sein Ende findet«, sagte Aviendha. Dann zögerte sie, weil ihr etwas anderes eingefallen war.
»Was ist?«
»Nun, der größte Sieg würde darin bestehen, deinen Feind zum Gai’shain zu machen.«
»Ich bezweifle, dass er sich dazu herablässt.«
»Spotte nicht.« Sie stieß ihm den Ellbogen in die Seite, und er grunzte. »Das muss in Betracht gezogen werden, Rand al’Thor. Was ist der bessere Weg des Ji’e’toh ? Den Dunklen König einzukerkern ist das dasselbe, als würde man ihm Gai’shain nehmen? Falls dem so ist, wäre das der richtige Weg.«
»Ich weiß nicht, ob mich in diesem Fall interessiert, was ›richtig‹ ist.«
»Ein Krieger muss immer an das Ji’e’toh denken«, sagte sie streng. »Habe ich dir denn gar nichts beigebracht? Rede nicht so, oder du beschämst mich wieder vor den anderen Weisen Frauen.«
»Ich hatte gehofft, dass wir mit dem Unterricht fertig sind – wenn man überlegt, wie sich unsere Beziehung entwickelt hat.«
»Du hast geglaubt, dass mir näherzukommen die Lektionen beenden würde?«, fragte sie verblüfft. »Rand al’Thor, ich habe unter Ehefrauen der Feuchtländer gelebt und ich habe gesehen, dass sie …«
Er schüttelte den Kopf und trat durch das Tor, und Aviendha folgte ihm. Er erschien amüsiert, und das war gut. Ein Teil seiner Anspannung hatte sich gelegt. Aber das war wirklich kein Scherz gewesen. Feuchtländer hatten einfach keinen Sinn für Humor. Manchmal wussten sie nicht einmal, wann man lachen musste.
Auf der anderen Seite des Tores betraten sie ein Lager, das sich aus vielen Gruppen zusammensetzte. Rand hatte den Befehl über die Töchter und die Siswai’aman sowie die meisten der Weisen Frauen.
Direkt neben dem Aiel-Lager waren die Aes Sedai. Rand hatte den Befehl etwa über drei Dutzend – es waren alles Schwestern, die ihm persönlich die Treue geschworen hatten, und die meisten davon waren durch einen Behüterbund mit Asha’man verbunden. Das bedeutete also, es gab weitere zwei Dutzend Asha’man von unterschiedlichen Rängen.
Außerdem stand ihm Rodel Ituralde und dessen Streitmacht zur Verfügung, die sich hauptsächlich aus Domani zusammensetzte. Ihr König mit dem schütteren Bart und dem Schönheitsfleck auf der Wange ritt ebenfalls mit ihnen, überließ den Befehl aber dem Großen Hauptmann. Der Monarch winkte mit der Hand, und Ituralde begab sich zu ihm, um Bericht zu erstatten. Alsalam schien in Rands Nähe Unbehagen zu empfinden und begleitete den Drachen niemals auf irgendwelche Erkundungen. Aviendha gefiel dieses Arrangement. Sie war sich nicht sicher, ob sie diesem Alsalam vertraute.
Jenseits der Aiel-Zelte kampierte eine weitere zahlenmäßig starke Streitmacht, die Armee von Tear einschließlich der Elitetruppe namens Verteidiger des Steins, die von einem Mann namens Rodrivar Tihera angeführt wurde. Ihr König befand sich ebenfalls bei ihnen und wurde neben Rand allgemein als die höchste Autorität ihrer versammelten Truppen betrachtet.
Die Tairener stellten eines der zentralen Elemente in Rodel Ituraldes Plan dar. So ungern Aviendha das auch zugab, aber Ituralde hatte recht. Die Aiel waren keine defensiven Krieger, und auch wenn sie, falls nötig, einen Pass halten konnten, waren sie doch viel besser zu kühnen Angriffen zu gebrauchen.
Um erobertes Gelände zu halten, würden die Tairener perfekt sein. Sie verfügten über gut ausgebildete Kompanien Pikenträger und
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