Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
ihre Gliedmaßen zu bewegen und Saidar zu berühren. Wie konnte sie jemals Königin sein, wenn sie so schwach war? Wieder griff sie nach der Quelle. Wieder. Noch einmal. Ein Wettlauf gegen die Sandkörner. Wieder.
Noch einmal rann der letzte Sand durchs Stundenglas, ohne dass Luci erschien. Ganz, ganz langsam erreichte sie das Stadium, in dem sie ihre Hand wieder heben konnte. Und dann den Kopf, auch wenn er sofort zurücksackte. Sie hörte Nynaeve etwas in sich hineinknurren und verstand sogar die meisten Wörter.
Wieder schlug die Tür auf. Elayne hob den Kopf, um verzweifelt hinzusehen, und dann riss sie Augen und Mund auf. Thom Merrilin stand da wie der Held einer seiner eigenen Erzählungen. Mit der einen Hand hatte er Lucis Hals gepackt, und in der anderen hielt er ein Messer wurfbereit. Das Mädchen schien der Ohnmacht nahe. Elayne lachte glücklich, auch wenn es sich mehr nach einem Krächzen anhörte.
Grob stieß er das Mädchen in eine Ecke. »Du bleibst hier, oder ich ziehe dir dieses Messer über die Haut!« Mit zwei Schritten war er an Elaynes Seite, strich ihr über das Haar und auf seinem ledrigen Gesicht stand die Sorge. »Was hast du ihnen gegeben, Mädchen? Sag es mir, oder …«
»Sie nicht«, murmelte Nynaeve. »Andere Frau. Ging weg. Hilf mir hoch. Muss gehen.«
Thom verließ ihre Seite zögernd, wie Elayne zu erkennen glaubte. Er zeigte Luci noch einmal drohend das Messer, worauf sie sich ängstlich niederkauerte, als wolle sie sich nie mehr rühren, und ließ es dann in einem Wimpernschlag im Ärmel verschwinden. Er zog Nynaeve auf die Beine und begann, sie auf und ab zu führen, soweit es die kleine Kammer gestattete. Sie lehnte sich erschöpft an ihn und schlurfte mit.
»Ich bin froh, zu erfahren, dass Ihr euch nicht gerade von dieser verängstigten kleinen Katze in eine Falle habt locken lassen«, sagte er. »Wenn sie diejenige gewesen wäre …« Er schüttelte den Kopf. Zweifellos würde er auch nicht mehr von ihnen halten, falls ihm Nynaeve die Wahrheit berichtete. Elayne hatte das aber gewiss nicht vor. »Ich habe sie erwischt, als sie die Treppe hinaufraste, so in Panik, dass sie mich nicht hinter sich hörte. Ich bin aber nicht so glücklich darüber, dass eine zweite entkommen konnte, ohne von Juilin gesehen zu werden. Wird sie möglicherweise noch andere mitbringen?«
Elayne wälzte sich auf die andere Seite. »Ich glaube nicht, Thom«, brachte sie mühsam heraus. »Sie kann nicht … zu viele Leute … wissen lassen, was sie ist.« Noch eine Minute, dann konnte sie sich vielleicht aufsetzen. Sie sah Luci ins Gesicht. Das Mädchen zuckte zusammen und drückte sich an die Wand. »Die Weißmäntel … würden sie … genauso schnell wie uns … gefangennehmen.«
»Juilin?«, fragte Nynaeve. Ihr Kopf wackelte, als sie zornig zu dem Gaukler aufblickte. Aber sie hatte keine Schwierigkeiten mit dem Sprechen mehr. »Ich habe Euch beiden gesagt, Ihr solltet beim Wagen bleiben.«
Thom pustete irritiert seinen Schnurrbart vom Mund. »Ihr habt uns gesagt, wir sollten die Lebensmittel wegräumen, aber dazu braucht man keine zwei Männer. Juilin folgte Euch, und als niemand zurückkehrte, habe ich mich nach ihm umgesehen.« Er schnaubte wieder. »Er hatte keine Ahnung, ob hier nicht ein Dutzend Männer warteten, aber er war bereit, Euch allein hinterherzugehen. Jetzt bindet er gerade Schmoller im Hof an. Gut, dass ich mich entschloss, hierherzureiten. Ich glaube, wir brauchen das Pferd, um Euch beide hier herauszubringen.«
Elayne stellte fest, dass sie gerade so eben sitzen konnte. Sie zog sich Hand um Hand an der Bettdecke hoch, doch ein Versuch, zu stehen, hätte sie beinahe wieder niedergeworfen. Saidar war genauso unerreichbar wie zuvor. Ihr Kopf vermittelte ihr immer noch das Gefühl, ein mit Gänsedaunen gestopftes Kissen zu sein. Nynaeve fing an, sich etwas gerader aufgerichtet zu bewegen und die Füße beim Gehen zu heben, doch sie klammerte sich immer noch an Thom.
Minuten später trat Juilin ein und schob mithilfe seines Messers Frau Macura vor sich her. »Sie ist durch ein Tor hinten im Zaun hereingekommen. Glaubte, ich sei ein Dieb. Es schien mir am besten, sie herzubringen.«
Bei ihrem Anblick war die Näherin totenblass geworden, sodass ihre Augen noch dunkler erschienen und ihr beinahe aus dem Kopf quollen. Sie leckte sich die Lippen und strich unaufhörlich ihren Rock glatt. Dazu warf sie immer wieder schnelle Seitenblicke auf Juilins Messer, als frage sie sich, ob
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