Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
vielleicht waren sie verzweifelt genug, ihm Mittel in die Hand zu geben, die ihm eine Chance auf den Sieg eröffneten.
»Das macht Euch auch noch Spaß, oder?«, sagte Siuan empört, als sich sein Blick wieder ihr zuwandte. »Ihr Bussard. Verdammt sollt Ihr alter Narr mit Eurem Karpfenhirn sein! Jetzt, da Ihr wisst, wer ich bin, gefällt es Euch, wenn ich mich vor Euch beugen und knicksen muss, ja?« Im Augenblick sah sie ganz und gar nicht danach aus. »Warum? Wollt Ihr Rache, weil ich Euch Murandys wegen damals zum Rückzug gezwungen habe? Seid Ihr ein so kleinmütiger Mensch, Gareth Bryne?«
Sie versuchte, ihn zu provozieren, weil sie bereits zu viel gesagt hatte und ihm keine Zeit lassen wollte, darüber nachzudenken. Vielleicht war sie ja keine Aes Sedai mehr, aber das Manipulieren lag ihr im Blut.
»Ihr wart die Amyrlin«, erwiderte er gelassen, »und selbst ein König küsst den Ring der Amyrlin. Ich kann nicht behaupten, dass mir gefiel, was Ihr mit mir gemacht habt, und irgendwann sollten wir uns vielleicht in aller Ruhe darüber unterhalten, ob es notwendig war, das in Gegenwart des halben Hofstaats zu tun. Aber erinnert Euch bitte daran, dass ich Mara Tomanes hierhergefolgt bin, und es war Mara Tomanes, die ich haben wollte. Nicht Siuan Sanche. Da Ihr immer nach dem Grund fragt, lasst mich dasselbe tun. Warum war es so wichtig, dass ich die Grenzüberfälle aus Murandy nicht aufhielt?«
»Weil Euer Eingreifen wichtige Pläne zunichte gemacht hätte«, sagte sie angespannt und betonte das alles noch, als sei jedes Wort von Bedeutung. »Genau wie Euer Eingreifen jetzt! Die Burg hatte einen jungen Grenzlord namens Dulain als den Mann identifiziert, der eines Tages Murandy mit unserer Hilfe wirklich vereinigen könnte. Ich konnte nicht zulassen, dass Eure Soldaten ihn zufällig getötet hätten. Ich habe hier wertvolle Arbeit zu leisten, Lord Bryne. Lasst sie mich in Ruhe vollbringen, dann erlebt Ihr vielleicht auch den Sieg. Mischt Euch aus Rachsucht ein, und Ihr werdet alles ruinieren.«
»Welche Arbeit Ihr auch hier zu verrichten habt, so bin ich doch sicher, Sheriam und die anderen werden dafür sorgen, dass Ihr dazu kommt. Dulain? Nie von ihm gehört. Er kann in der Rangordnung noch nicht hoch genug stehen, um die Nachfolge anzutreten.« Seiner Meinung nach würde Murandy ein in unzählige Herrschaftsbereiche unabhängiger Lords und Ladies zerfallenes Flickwerk bleiben, bis sich das Rad drehte und ein neues Zeitalter anbrach. Die Menschen in Murandy waren schon Lugarder oder Mindeaner oder was sonst noch gewesen, bevor ein Staat dort überhaupt entstanden war; wenn man das denn einen Staat nennen konnte. Aber ein Lord, der sie wirklich einen könnte und dabei Siuans Halsband und Leine trug, konnte eine nicht unbeträchtliche Anzahl Männer für sein Heer stellen.
»Er … starb.« Rote Flecken erschienen auf ihren Wangen, und sie schien mit sich selbst zu kämpfen. »Einen Monat nachdem ich Caemlyn verließ«, knurrte sie leiser, »hat irgendein andoranischer Bauer ihm einen Pfeil durch die Brust geschossen, weil seine Schafe geraubt werden sollten.«
Er konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Also hätte Ihr die Bauern dazu bringen sollen, dort zu knien anstatt meiner. Na ja, jetzt müsst Ihr euch mit solchen Dingen nicht mehr beschäftigen.« Das stimmte auf jeden Fall. Welche Aufgabe die Aes Sedai auch für sie hatten, sie würden ihr keinesfalls mehr Macht und Entscheidungen anvertrauen. Er bedauerte sie. Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Frau aufgab und starb, aber sie hatte alles verloren bis auf ihr Leben. Andererseits passte es ihm nicht, wenn sie ihn einen Bussard nannte oder ihn als Haufen stinkender Fischabfälle bezeichnete. Wie war das noch gewesen? Karpfenhirn? »Von nun an könnt Ihr euch darauf beschränken, meine Stiefel sauberzuhalten und mein Bett zu machen.«
Ihre Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Falls es das ist, was Ihr wünscht, Lord Gareth Bryne, solltet Ihr Leane erwählen. Sie könnte töricht genug sein.«
Er konnte sich gerade noch zurückhalten, um nicht Augen und Mund aufzureißen. Die Wege eines weiblichen Verstands ließen ihn immer noch staunen. »Ihr habt geschworen, mir zu dienen, gleich, wie ich mich entscheide«, brachte er mit einem Schmunzeln heraus. Warum verhielt er sich so? Er wusste doch, wer sie war und was sie war. Aber diese Augen verfolgten ihn immer noch. Sie stellten eine Herausforderung dar, obwohl sie offensichtlich
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