Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
glaubte, ihm keine Hoffnung machen zu können, so wie sie jetzt gerade dreinblickten. »Ihr werdet schon feststellen, welche Sorte von Mann ich bin, Siuan.« Er hatte sie nach seinem Scherz mit diesen Worten besänftigen wollen, aber so, wie sie ihre Schultern einzog, empfand sie es wohl als Drohung.
Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er die Aes Sedai hören konnte. Leises Stimmengemurmel erklang, verstummte aber sofort wieder. Sie standen zusammen und blickten ihn mit ausdruckslosen Mienen an. Nein, Siuan blickten sie an. Ihre Blicke folgten ihr, als sie dorthin zurückschritt, wo Leane stand. Als fühle sie den Druck dieser Blicke, wurde jeder Schritt ein wenig schneller als der vorhergehende. Als sie sich am Kamin wieder umwandte, war ihr Gesicht genauso ausdruckslos wie die der anderen. Eine bemerkenswerte Frau. Er war nicht sicher, ob er das an ihrer Stelle geschafft hätte.
Die Aes Sedai warteten darauf, dass er vor sie trat. Er tat es, und Sheriam sagte: »Wir erkennen Eure Bedingungen ohne Einschränkung an, Lord Bryne, und verpflichten uns, sie einzuhalten. Sie sind äußerst vernünftig.«
Carlinya zumindest machte nicht den Eindruck, als hielte sie sie für vernünftig, aber das war ihm gleich. Er war darauf vorbereitet gewesen, in allen Punkten außer dem letzten nachzugeben; nur im Stich lassen durften sie ihn nicht.
Er kniete auf der Stelle nieder, presste die rechte Faust auf den kleinen Läufer, und sie stellten sich um ihn herum auf, und nacheinander legte ihm jede eine Hand auf das gebeugte Haupt. Es war ihm gleich, ob sie die Macht benützten, ihn an seinen Eid zu binden, oder um die Wahrheit herauszufinden. Er war nicht einmal sicher, ob sie eines von beiden oder beides vollbringen konnten; wer wusste schon wirklich, wozu eine Aes Sedai fähig war? Und falls sie etwas anderes erreichen wollten, konnte er es auch nicht verhindern. Von einem Augenpaar gefangen und in die Falle gelockt wie ein verliebter Bauerntölpel. Er hatte wirklich das Hirn eines Karpfens. »Ich verspreche und schwöre, Euch treu zu dienen, bis die Weiße Burg Euer ist …«
Er schmiedete bereits Pläne. Thad und vielleicht ein oder zwei Behüter mussten die Grenze überschreiten und nachsehen, was die Weißmäntel planten. Joni, Barim und noch ein paar würde er nach Ebou Dar hinunterschicken. Das würde Joni davon abhalten, doch noch einmal seine eigene Zunge zu verschlucken, wenn er ›Mara‹ und ›Amaena‹ anblickte. Und jeder Mann, den er aussandte, würde über genug Erfahrung verfügen, Leute anzuwerben.
»… Euer Heer aufzubauen und zu führen, so gut das meine Fähigkeiten zulassen …«
Als das leise Gemurmel der Unterhaltungen im Schankraum verstummte, blickte Min von den Mustern auf, die sie gelangweilt mit einem in Wein gestippten Finger auf die Tischfläche gemalt hatte. Auch Logain rührte sich erstaunlicherweise, aber er sah dann doch nur die Leute im Raum an oder starrte durch sie hindurch; das ließ sich schwer feststellen.
Gareth Bryne und der große Behüter aus Illian kamen zuerst aus dem Hinterzimmer zurück. In die gespannte Stille hinein sagte Bryne: »Sagt ihnen, die Bedienung aus einer Taverne in Ebou Dar habe Euch geschickt, sonst stecken sie Euren Kopf auf eine Stange.«
Der Illianer lachte schallend. »Eine gefährliche Stadt, Ebou Dar.« Er zog die Lederhandschuhe aus seinem Schwertgurt und marschierte auf die Straße hinaus, während er sie anzog.
Die Gespräche begannen wieder, als Siuan auftauchte. Min verstand nicht, was Bryne zu ihr sagte, aber sie trat – offensichtlich kochend vor Wut – hinter dem Behüter hinaus. Min hatte das flaue Gefühl, die Aes Sedai hätten entschieden, diesen törichten Eid, auf den Siuan so stolz gewesen war, tatsächlich anzuerkennen, und zwar ab sofort. Falls sie sich einreden konnte, die beiden Behüter, die so entspannt an der Wand lehnten, würden es nicht bemerken, könnte sie ja wie der Blitz aus der Tür huschen und in Wildroses Sattel springen.
Schließlich kamen auch Sheriam und die anderen Aes Sedai mit Leane heraus. Myrelle setzte sich mit Leane an einen der Tische und redete auf sie ein, während die übrigen durch den Raum schritten und sich mit jeder anwesenden Aes Sedai kurz unterhielten. Was sie ihnen auch sagten, die Reaktionen waren jedenfalls unterschiedlich – vom offenen Schreck bis zum zufriedenen Lächeln, und das alles trotz der ansonsten würdevollen Beherrschung einer Aes Sedai.
»Bleibt hier«, sagte Min zu Logain
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