Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Hirschkopf auf ihrem grünen Umhang. Die kleinen Finger ihrer Reithandschuhen waren viel zu lang. Rand erkannte aber an den kahlgeschorenen Seiten ihres Kopfes, dass sich unter den Handschuhen überlange Fingernägel verbargen, sicher lackiert, denn beides waren typische Merkmale des Adels bei den Seanchanern . Die Mienen der Soldaten waren steinern und ihre Haltung gerade und aufrecht, doch die blauen Augen des Offiziers funkelten wütend hinter den Beißwerkzeugen des insektengleichen Helms, und seine in Handschuhen steckenden Finger krümmten sich, als er sich vergeblich bemühte, nach seinem Schwert zu greifen.
Rand waren sie gleichgültig, doch die Damane wollte er auf keinen Fall zurücklassen; wenigstens konnte er ihnen die Möglichkeit zur Flucht verschaffen. Sie starrten ihn wohl an wie ein wildes Tier, das mit gefletschten Zähnen vor ihnen stand, aber sie hatten sich ja auch nicht das Los von Gefangenen ausgesucht, die selbst wenig besser als Haustiere behandelt wurden. Er berührte mit der Hand das Halsband der Nächststehenden und verspürte einen Schlag, der seinen Arm fast betäubt hätte. Einen Moment lang verschob sich das Nichts, und Saidin durchtobte ihn wie ein Tausendfaches des Schneesturms. Das kurzgeschnittene blonde Haar der Damane wirbelte herum, als sie sich unter seiner Berührung wand. Sie schrie auf, und die Sul’dam , mit der sie verbunden war, wurde leichenblass und schnappte nach Luft. Beide wären zu Boden gesackt, hätten die Fesseln aus Luft sie nicht aufrecht gehalten.
»Versuch du es«, sagte er zu Aviendha und schüttelte die Hand aus. »Eine Frau muss doch wohl in der Lage sein, das Ding anzufassen, ohne einen Schlag abzubekommen. Ich weiß nicht, wie man es losmacht.« Es sah aus wie aus einem Stück gefertigt, vielleicht auf irgendeine Art aus Gliedern zusammengesetzt, genauso wie der Armreif und die Leine. »Aber da es angelegt werden kann, kann man es auch wieder abnehmen.« Ein paar Augenblicke mehr spielten keine Rolle, was auch immer mit dem Tor geschehen sein mochte. War das Asmodeans Werk?
Aviendha schüttelte den Kopf, begann aber doch, an dem Halsband der einen Frau herumzuversuchen. »Halt still«, knurrte sie, als die Damane , ein Mädchen von vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahren mit bleichem Gesicht, vor ihr zurückzucken wollte. Wenn die angeleinten Frauen Rand schon wie eine wilde Bestie angeschaut hatten, dann musste Aviendha jetzt in ihren Augen wie ein fleischgewordener Albtraum wirken.
»Sie ist eine Marath’Damane «, heulte das bleiche Mädchen. »Rettet Seri, Herrin! Bitte, Herrin! Rettet Seri!« Die andere Damane , eine ältere, fast mütterlich wirkende Frau, begann, unkontrolliert zu weinen. Aviendha funkelte Rand genauso zornig an wie das Mädchen und knurrte etwas in sich hinein, während sie an dem Halsband herumfummelte. Rand hatte keine Ahnung, warum sie auf ihn zornig sein sollte.
»Er ist es, Lady Morsa«, sagte die Sul’dam der anderen Damane plötzlich in so schleppendem Ton, dass Rand sie kaum verstand. »Ich habe den Armreif schon lange getragen und wüsste es, wenn die Marath’Damane mehr getan hätte als nur Jini abzuschirmen.«
Morsa wirkte nicht überrascht. Es schien sogar etwas von erschrockenem Wiedererkennen in dem Blick aus ihren blauen Augen zu liegen, als sie Rand ansah. Es konnte nur eine mögliche Erklärung geben.
»Ihr wart in Falme«, sagte er. Falls er als Erster hindurchtrat, würde er Aviendha zurücklassen müssen, wenn auch nur für einen Augenblick.
»Das stimmt.« Die Adlige sah aus, als habe sie weiche Knie, doch ihre bedächtige Stimme mit der ebenfalls schleppenden Aussprache war immer noch kühl und hoheitsvoll. »Ich habe Euch gesehen und was Ihr dort vollbracht habt.«
»Dann gebt acht, dass ich hier nicht dasselbe mache. Macht mir keine Schwierigkeiten, und ich lasse Euch in Frieden.« Er konnte aber Aviendha nicht als Erste hindurchschicken. Das Licht mochte wissen, was sie dort erwartete. Wenn nicht alle Gefühle innerhalb des Nichts so weit entfernt erschienen wären, hätte er wohl genauso das Gesicht verzogen wie sie dieses Halsbands wegen. Sie mussten zusammen hindurch und auf alles vorbereitet sein.
»Vieles wurde geheimgehalten, was die Geschehnisse im Lande des großen Falkenflügels betrifft, Lady Morsa«, sagte die Frau mit dem strengen Gesicht. Der Blick aus ihren dunklen Augen, den sie Morsa zuwarf, war genauso hart wie der, der ihn getroffen hatte. »Gerüchte besagen, dass das
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