Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
war«, sagte er und nahm den abgeschnittenen Speer in die Hand, »sonst hätte man uns Schlimmeres als den hier hinterhergeschickt.« Er beobachtete Asmodean aus den Augenwinkeln, doch der saß einfach nur da und wirkte etwas kränklich. Er konnte ja auch nicht wissen, ob ihm Rand vielleicht mit diesem Speer nun endgültig den Mund stopfen wolle. Aviendhas Schnauben war noch betonter als sonst. »Glaubst du, ich hätte sie losgelassen?«, fragte sie hitzig. Sie schob seinen Arm energisch weg, aber ihr Zorn galt wohl trotzdem nicht ihm. Oder jedenfalls nicht seinem Arm. »Ich habe ihre Abschirmungen so fest abgebunden, wie ich konnte. Sie sind deine Feinde, Rand al’Thor. Selbst diejenigen, die du Damane genannt hast, sind wie treue Hunde, die lieber Euch getötet hätten, als sich befreien zu lassen. Du musst mit deinen Feinden härter umgehen, nicht so sanftmütig.«
Sie hatte recht, dachte er sich und wog den Speer in der Hand. Er hatte Feinde zurückgelassen, denen er sich eines Tages wieder gegenübersehen konnte. Er musste härter werden. Sonst würde er zu Staub zermalmt, bevor er noch den Shayol Ghul erreichte.
Unvermittelt begann sie, ihren Rock glattzustreichen, und sie sagte in harmlosem Plauderton: »Mir ist aufgefallen, dass du diese Morsa mit ihrem Milchgesicht gar nicht vor ihrem Schicksal bewahrt hast. Den Blicken nach, die du ihr zugeworfen hast, dachte ich, du hättest ein Auge auf diese großen Augen und den runden Busen geworfen.«
Rand blickte sie verblüfft an. Sein Erstaunen floss wie klebriger Honig über die Leere, die ihn umgab. Sie sprach so, als sage sie lediglich, dass die Suppe fertig sei. Er fragte sich, wie er wohl Morsas Busen hätte bewundern können, bei diesem dicken, pelzbesetzten Umhang. »Ich hätte sie mitbringen sollen«, sagte er. »Um sie über die Seanchaner zu befragen. Ich fürchte, die werden mir noch Unannehmlichkeiten bereiten.«
Das verdächtige Glitzern in ihren Augen verschwand wieder. Sie öffnete den Mund, hielt aber inne, als er die Hand hob, und warf einen Blick zu Asmodean hinüber. Er sah beinahe all die Fragen bezüglich der Seanchaner , die sich hinter ihrer Stirn auftürmten. Wie er sie kannte, würde sie nicht aufhören, ihn auszuquetschen, bis sie Dinge ausgegraben hatte, an die er selbst sich nicht mehr erinnerte. Was nicht übel wäre. Dazu aber ein andermal. Erst einmal musste er Asmodean ein paar Antworten entlocken. Sie hatte recht. Er musste hart werden.
»Das war schlau von dir«, sagte sie, »diese Öffnung zu verbergen, die ich machte. Falls ein Gai’shain hereinkam, hätte es sonst geschehen können, dass tausend Speerschwestern auf der Suche nach dir hindurchmarschiert wären.«
Asmodean räusperte sich. »Eine der Gai’shain kam tatsächlich hierher. Irgendjemand namens Sulin hatte ihr aufgetragen, nachzusehen, ob Ihr auch wirklich etwas esst, mein Lord Drache, und um sie davon abzuhalten, mit ihrem Tablett hereinzuspazieren und Eure Abwesenheit zu bemerken, habe ich mir die Freiheit genommen, ihr zu sagen, dass Ihr und die junge Frau nicht gestört werden wolltet.« Ein leichtes Zucken seiner Augenlider weckte Rands Aufmerksamkeit.
»Was?«
»Ach, sie hat es so seltsam aufgenommen. Sie hat schallend gelacht und ist weggerannt. Ein paar Minuten später tauchten bestimmt zwanzig Far Dareis Mai unter dem Fenster auf, schrien herum und schlugen mit den Speeren eine gute Stunde lang oder noch länger auf ihre Schilde. Ich muss schon sagen, mein Lord Drache, einige der Anregungen, die sie heraufschrien, haben selbst mich noch überrascht.«
Rand spürte, wie seine Wangen brannten. Es war auf der anderen Seite dieser verdammten Welt geschehen, und trotzdem hatten die Töchter Wind davon bekommen! Doch Aviendha kniff nur die Augen zusammen.
»Hatte sie die gleichen Haare und Augen wie ich?« Sie wartete gar nicht auf Asmodeans Nicken. »Das muss meine Erstschwester Niella gewesen sein.« Sie las Rand die unausgesprochene Frage vom Gesicht ab und beantwortete sie, bevor er etwas sagen konnte. »Niella ist Weberin, keine Tochter des Speers. Sie wurde vor einem halben Jahr von Töchtern der Chareen während eines Überfalls auf die Sularafestung gefangengenommen. Sie hat immer versucht, mir auszureden, den Speer zu nehmen, und sie wollte schon immer, dass ich heirate. Ich werde sie zu den Chareen zurückschicken, und zwar mit einem Striemen auf dem Hinterteil für jedes Weitersagen!«
Rand packte sie am Arm, als sie aus dem Zimmer
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