Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
viel.
Der Gedanke stieß ihm schon wieder säuerlich auf. Diese Regeln stammten aus den Erinnerungen anderer Männer. Die einzigen Regeln, an die er sich erinnern wollte , waren: ›Küsse nie ein Mädchen, dessen Brüder Narben von Messerschnitten aufweisen‹, und: ›Fange nie ein Würfelspiel an, ohne vorher den Hinterausgang erkundet zu haben.‹ Es wäre ihm lieber gewesen, diese fremden Erinnerungen hingen noch immer wie Klumpen in seinem Gedächtnis, anstatt sich in seine Gedanken einzuschleichen, wenn er es am wenigsten erwartete.
»Schwierigkeiten mit einem sauren Magen?«, fragte Natael träge. »Vielleicht hat eine der Weisen Frauen eine Wurzel, die das heilt. Oder Ihr könntet Moiraine fragen.«
Mat konnte den Mann nicht leiden; er schien immer einen Scherz auf Kosten anderer auf den Lippen zu haben. Und er sah stets aus, als kümmerten sich mindestens drei Diener um seine Kleidung. Ständig diese schneeweißen Spitzen an Kragen und Manschetten, und immer schien alles gerade frisch gewaschen und gebügelt worden zu sein. Der Kerl schien auch niemals zu schwitzen. Warum Rand ihn ständig um sich hatte, war ihm ein Rätsel. Er spielte auch kaum jemals eine fröhliche Melodie auf seiner Laute. »Wird er bald zurück sein?«
Natael zuckte die Achseln. »Wann er sich eben dazu entschließt. Vielleicht bald, vielleicht auch später. Kein Mann schreibt dem Lord Drachen die Zeit vor. Und nur wenige Frauen.« Da war es wieder, dieses geheimnisvolle Lächeln. Diesmal etwas düster gefärbt.
»Ich werde warten.« Diesmal wollte er das tatsächlich. Er hatte sich schon zu oft dabei ertappt wie er auf diese Weise seine Abreise ein weiteres Mal hinausschob.
Natael nippte an seinem Wein und musterte ihn über den Rand des Kelches hinweg.
Es war schon schlimm genug, wenn ihn Moiraine und die Weisen Frauen auf diese schweigende, forschende Art anblickten – manchmal machte es Egwene genauso; sie hatte sich sehr geändert, zur Hälfte Weise Frau und zur Hälfte Aes Sedai –, aber bei Rands Gaukler ließ ihn dieser Blick mit den Zähnen knirschen. Das Beste an einem Abschied wäre sicher, dass niemand ihn mehr ansehen würde, als könne er oder sie innerhalb einer Minute ablesen, was er dachte, oder als wisse derjenige bereits im ersten Moment, ob seine Unterwäsche sauber sei.
Zwei Landkarten lagen ausgebreitet in der Nähe der Feuergrube. Die eine, in allen Einzelheiten von einer zerfledderten Karte abgezeichnet, die sie in einer halb niedergebrannten Ortschaft gefunden hatten, zeigte das nördliche Cairhien von westlich des Alguenya bis halbwegs zum Rückgrat der Welt, während die andere – frisch gezeichnet und recht skizzenhaft – die Umgebung der Stadt darstellte. Auf beiden lagen eine Reihe von Pergamentfetzen, die durch kleine Steinchen festgehalten wurden. Wenn er hierbleiben und gleichzeitig Nataels forschenden Blicken entgehen wollte, musste er sich wohl oder übel mit diesen Landkarten beschäftigen.
Mit der Spitze eines Stiefels verschob er ein paar Steinchen auf der Karte der Stadt und ihrer Umgebung, damit er lesen konnte, was auf den Pergamentfetzen geschrieben stand. Unwillkürlich fuhr er zusammen. Falls die Aiel-Kundschafter recht hatten, verfügte Couladin über beinahe einhundertundsechzigtausend Speere, Shaido und diejenigen, die sich wohl ihren Kriegergemeinschaften unter den Shaido angeschlossen hatten. Das war eine harte Nuss, die sie zu knacken hatten, und schwierig war die Lage außerdem. Auf dieser Seite des Rückgrats der Welt hatte es seit der Zeit Artur Falkenflügels kein so großes Heer mehr gegeben.
Die zweite Karte zeigte die anderen Clans, die die Drachenmauer überquert hatten. Alle befanden sich mittlerweile hier in Positionen, die damit zu tun hatten, wann sie den Jangai verlassen hatten und ausgeschwärmt waren, doch alle unangenehm nahe ihrer eigenen Stellung. Die Shiande, die Codarra, die Daryne und die Miagoma. Zusammengenommen verfügten sie über etwa genauso viele Speere wie Couladin. Wie es aussah, hatten sie nicht viele Clanmitglieder zurückgelassen. Die sieben Clans unter Rands Führung hatten bestimmt doppelt so viele Mitglieder und konnten sich problemlos mit Couladin oder den vier Clans messen. Entweder, oder. Aber nicht mit beiden gleichzeitig. Und doch konnte es geschehen, dass Rand gleichzeitig mit beiden Seiten zu tun bekam.
Was die Aiel als die ›Trostlosigkeit‹ bezeichneten, musste wohl auch diese Clans betroffen haben. Noch immer warfen jeden
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