Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
oder was es auch immer sein mochte, war von dort gekommen. Da war er sicher. Wie – das war eine ganz andere Sache. Aus dieser Entfernung war er schon froh, wenigstens gelegentlich erkennen zu können, wie sich jemand auf der Mauer oder einem der Türme bewegte.
Rand hob den Kopf und sah, dass Rhuarc gerade von dem anderen Fernrohr zurücktrat und Han Platz machte. Das war der ganze Grund für den Bau des Turms und die Fernrohre gewesen. Kundschafter brachten wohl alles mit, was sie über die Aufstellung der Shaido um die Stadt herausfinden konnten, aber auf diese Weise waren die Häuptlinge selbst in der Lage, das Terrain zu beobachten, auf dem die Schlacht ausgefochten werden würde. Sie hatten bereits einen Plan zusammen ausgearbeitet, aber ein weiterer Blick auf die Umgebung der Stadt konnte nie schaden. Rand verstand nicht viel von Schlachtplänen, aber Lan hatte ihr Vorhaben für gut befunden. Jedenfalls was seinen ureigenen Verstand betraf, hatte er keine Ahnung davon, aber manchmal schlichen sich diese anderen Erinnerungen ein, und dann schien er mehr zu wissen, als ihm lieb war.
»Habt Ihr das gesehen? Diese … Speere?«
Rhuarc blickte genauso verblüfft drein wie Rand selbst, aber der Aiel nickte. »Der letzte traf einen anderen Shaido, der aber noch wegkriechen konnte. Schade, dass er nicht Couladin erwischt hat.« Er deutete auf das Fernrohr, und Rand machte ihm Platz, damit er noch einmal hindurchschauen konnte.
War es wirklich so schade darum? Couladins Tod würde die Bedrohung Cairhiens oder anderer nicht beenden. Jetzt, da sie sich auf dieser Seite der Drachenmauer befanden, würden die Shaido nicht brav zurückkehren, weil der Mann gestorben war, den sie für den wahren Car’a’carn gehalten hatten. Sein Tod würde sie wohl erschüttern, aber kaum so nachhaltig. Und nach allem, was Rand gesehen hatte, verdiente Couladin auch kein derart einfaches Ende. Ich kann so hart sein, wie es sein muss, dachte er und streichelte das Heft seines Schwertes. In seinem Fall kann ich es.
KAPITEL 42
Vor dem Pfeil
D ie Innenseite eines Zeltdachs dürfte wohl der langweiligste Anblick der Welt sein, aber trotzdem legte sich Mat in Hemdsärmeln auf den Kissen mit roten Quasten zurück, die Melindhra erworben hatte, und musterte den graubraunen Stoff eingehend. Oder genauer, er blickte durch ihn hindurch. Einen Arm hatte er hinter dem Kopf, und in der freien Hand schwenkte er einen gehämmerten Silberpokal voll guten Weins aus dem Süden Cairhiens. Ein kleines Fass hatte ihn genauso viel gekostet wie zwei gute Pferde – oder so viel, wie zwei gute Pferde gekostet hätten, stünden nicht die Welt und alles darin kopf –, er aber betrachtete es als geringen Preis für etwas wirklich Gutes. Gelegentlich spritzten ein oder zwei Tropfen auf seine Hand, doch er bemerkte es nicht und trank auch überhaupt nicht.
So, wie er es sah, war die Lage mittlerweile für ihn mehr als nur ernst zu nennen. Ernst war sie gewesen, als er noch in der Wüste festsaß, ohne den Weg hinaus zu finden. Ernst war sie, als Schattenfreunde überall auftauchten, wo er sie am wenigsten erwartet hatte, wenn Trollocs in der Nacht angriffen und gelegentlich Myrddraal ihm das Blut mit ihrem augenlosen Blick in den Adern gefrieren ließen. Diese Art von Gefahr erschien schnell und war gewöhnlich vorüber, bevor man überhaupt eine Gelegenheit zum Nachdenken bekam. Es war auch sicher nichts, was er von sich aus suchte, aber wenn es sein musste, konnte er damit leben, soweit er es überlebte. Aber jetzt wusste er bereits seit Tagen, wohin sie zogen und warum. Diesmal gab es nichts Überraschendes. Tage, um darüber nachzudenken.
Ich bin kein verdammter Held, dachte er grimmig, und ich bin kein verdammter Soldat. Wild entschlossen unterdrückte er eine Erinnerung daran, über Festungsmauern zu wandeln und seine letzten Reserven an einen Punkt zu schicken, an dem eine weitere Gruppe Trollocs mit Leitern die Mauer zu erklimmen versuchten. Das war ich nicht, und verdammt sei der, dessen Erinnerungen ich herumschleppe! Ich bin … Er wusste selbst nicht, was er war – ein unangenehmer Gedanke –, aber was er auch sein mochte, hatte immer mit Spielen zu tun, mit Tavernen, Frauen und Tanz. Dessen war er sicher. Außerdem brauchte er nur ein gutes Pferd, dann standen ihm alle Straßen der Welt offen; stattdessen saß er hier und wartete darauf, dass irgendjemand Pfeile auf ihn abschoss oder sich nach besten Kräften bemühte, ihm ein Schwert oder
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