Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Das Tuch, das sie um den Kopf gewickelt trug, hielt die drückende Sonnenhitze überraschend gut ab, aber wenn sie nicht vorsichtig war, würde dieser bauschige Rock beim Reiten ständig bis an ihre Schenkel hochrutschen. Dabei beunruhigte sie der Gedanke an die unvermeidlichen Brandblasen und den Sonnenbrand mindestens ebenso sehr wie die Tatsache, dass ihre Beine unanständig entblößt würden. Auf der einen Seite die Sonne, und … Ein Monat nicht mehr im Sattel hätte nicht dazu führen dürfen, dass sie derart verweichlichte. Hoffentlich war dem nicht so, denn sonst würde dies eine äußerst lange Reise.
Sobald sie ihre Stute beruhigt hatte und sich umsah, bemerkte sie, dass Amys zu ihr herüberblickte. Sie tauschte ein kurzes Lächeln mit der Weisen Frau. Der Grund für ihre Müdigkeit lag nicht in der Rennerei der vergangenen Nacht. Das hatte ihr höchstens zu einem besseren Schlaf verholfen. Nein, sie hatte tatsächlich die Träume dieser Frau letzte Nacht gefunden, und um das zu feiern, hatten sie im Traum in der Kaltfelsenfestung Tee miteinander getrunken, an einem frühen Abend, als die Kinder auf den Gartenterrassen spielten und eine angenehme Brise unter der sinkenden Sonne durch das Tal wehte.
Natürlich hätte auch das nicht ausgereicht, um ihr den Rest der Nachtruhe zu rauben, aber als sie Amys’ Traum verließ, war sie in einer solchen Hochstimmung gewesen, dass sie nicht aufhören wollte, nicht aufhören konnte, gleich, was Amys dazu gesagt hätte. Überall war sie von Träumen umgeben gewesen, obwohl sie bei den meisten nicht wissen konnte, wer sie eigentlich träumte. Bei den meisten, aber nicht bei allen. Melaine hatte davon geträumt, ein Kind an der Brust zu stillen, und Bair von einem ihrer verstorbenen Ehemänner, die beide einst jung und blond gewesen waren. Sie hatte sich allerdings besondere Mühe gegeben, nicht in diese Träume einzudringen, denn die Weisen Frauen hätten sofort einen Eindringling erkannt, und sie schauderte, dachte sie daran, was sie mit ihr gemacht hätten, bevor sie sie wieder zurückgeschickt hätten.
Rands Träume hatten natürlich eine Herausforderung dargestellt, und der konnte sie nicht widerstehen. Nach dem sie jetzt schon von Traum zu Traum flattern konnte, warum nicht versuchen, was die Weisen Frauen nicht geschafft hatten? Nur, der Versuch, seine Träume zu betreten, war so ausgegangen, als renne sie mit voller Wucht, den Kopf voraus, gegen eine unsichtbare Mauer. Sie wusste, dass auf der anderen Seite seine Träume lagen, und sie war sicher, einen Weg hindurch finden zu können, aber sie hatte keinen Anhaltspunkt gefunden, nichts, was ihr eine Lücke geöffnet hätte. Eine Mauer aus Nichts. Das war ein Problem, in das sie sich verbiss. Sie wollte es schaffen und würde bis dahin nicht aufgeben. Wenn sie sich einmal etwas vorgenommen hatte, war sie so hartnäckig wie ein Dachs beim Höhlenbau.
Um sie herum huschten die Gai’shain und luden das gesamte Lager der Weisen Frauen auf die Mulis. In kurzer Zeit würde nur noch ein Aiel oder jemand, der genauso geschickt im Spurenlesen war, überhaupt feststellen können, dass auf diesem Fleck sonnenverbrannten Lehmbodens Zelte gestanden hatten. Auch auf den sie umgebenden Abhängen spielte sich das Gleiche ab, und das Durcheinander hatte selbst die Stadt erfasst. Nicht jeder würde mitgehen, aber immerhin Tausende. Aiel drängten sich auf den Straßen, und Meister Kaderes Wagenzug stand in langer Reihe auf dem großen Platz, mit Moiraines ausgewählten Stücken beladen. Den Schluss des Zugs bildeten die drei weiß gestrichenen Wasserwagen. Wie riesige Fässer auf Rädern standen sie hinter Maultiergespannen mit jeweils zwanzig Zugtieren. Kaderes eigener Wohnwagen an der Spitze der Karawane war ein kleines weißes Haus auf Rädern mit Stufen an der Rückseite und einem metallenen Schornsteinrohr, das aus dem flachen Dach aufragte. Der dicke Händler mit der Adlernase, heute in elfenbeinfarbene Seide gekleidet, nahm mit großer Geste seinen unglaublich zerbeulten Hut ab, als sie vorbeiritt. Seine dunklen, schräggestellten Augen teilten das breite Lächeln nicht, das er ihr zuwarf.
Sie ignorierte ihn kalt. Seine Träume waren entschieden zu düster und unangenehm, wenn nicht auch noch lüstern. Man sollte seinen Kopf in ein ganzes Fass mit Blaurippentee tauchen, dachte sie grimmig.
Sie näherte sich dem Dach der Töchter und suchte sich ihren Weg zwischen den geschäftig umhereilenden Gai’shain und den
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