Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
geschrieben: ›Greift am Boden an, wenn Euer Feind nicht damit rechnet; aus einer unerwarteten Richtung und zu einem unerwarteten Zeitpunkt. Verteidigt Euch, wenn der Feind nicht daran glaubt und wenn er denkt, Ihr würdet fliehen. Überraschung ist der Schlüssel zum Sieg und Geschwindigkeit ist der Schlüssel zur Überraschung. Für den Soldaten ist Geschwindigkeit gleichbedeutend mit Überleben.‹«
»Wer ist Comadrin?«, fragte Talmanes einen Augenblick später, und Mat musste sich zusammenreißen, um ihm zu antworten: »Ein General. Ist schon lange tot. Ich habe sein Buch einmal gelesen.« Er erinnerte sich tatsächlich daran, das Buch mehr als einmal gelesen zu haben, aber er bezweifelte, dass sich heutzutage noch ein Exemplar davon irgendwo finden ließe. Außerdem erinnerte er sich daran, Comadrin kennengelernt zu haben, nachdem er eine Schlacht gegen ihn verloren hatte, etwa sechshundert Jahre vor der Zeit Artur Falkenflügels. Diese Erinnerungen schlichen sich eben immer wieder bei ihm ein. Wenigstens hatte er diese kleine Rede nicht in der Alten Sprache geschwungen. Mittlerweile mied er für gewöhnlich solche Ausrutscher.
Mat entspannte sich langsam, als er beobachtete, wie die berittenen Kundschafter über die sanft geschwungene Flussebene ausschwärmten. Sein Anteil an diesem Plan war nun eingeleitet, ganz wie vorgesehen. Ein hastiger Aufbruch, fast unvorbereitet, so, als wolle er sich nach Süden wegschleichen, aber doch auffällig genug, um sicherzugehen, dass er bemerkt wurde. Diese Kombination würde ihn sehr töricht wirken lassen, und auch das war nur zum Besten. Der Bande das schnelle Vorrücken einzutrichtern war allein schon eine gute Sache – schnelles Vorrücken konnte einen aus dem eigentlichen Kampf fernhalten –, aber ihr Weg konnte sehr gut zumindest vom Fluss aus verfolgt werden. Er suchte den Himmel ab, konnte jedoch keine Raben oder Krähen entdecken. Das wollte allerdings nicht viel heißen. Es waren auch keine Tauben zu sehen, aber sollte diesen Morgen keine Maerone verlassen haben, würde er seinen eigenen Sattel essen.
In höchstenfalls ein paar Tagen würde Sammael erfahren, dass die Bande im Anrücken war und sich beeilte. Die Befehle, die Rand unterdessen in Tear ausgegeben hatte, würden deutlich werden lassen, dass Mats Ankunft die sofortige Invasion in Illian auslöste. Auch bei der höchsten Marschgeschwindigkeit, die er der Bande zumuten konnte, würden sie doch noch mehr als einen Monat bis Tear brauchen. Mit ein wenig Glück würde Sammael wie eine Laus zwischen zwei Steinen zerquetscht, bevor Mat sich dem Mann auch nur auf hundert Meilen nähern musste. Sammael war in der Lage, alles kommen zu sehen, oder zumindest fast alles, aber es würde ein anderer Tanz werden, als er ihn erwartete. Anders als jeder andere bis auf Rand, Mat und Bashere erwartete. Darin bestand der eigentliche Plan. Mat ertappte sich dabei, wie er gut gelaunt vor sich hin pfiff. Diesmal würden sich die Dinge genau so entwickeln, wie er es erwartete.
KAPITEL 6
Schattengewebe
V orsichtig trat Sammael auf die Seidenteppiche mit ihrem Blumenmuster und ließ das Tor geöffnet für den Fall, dass er sich schnell zurückziehen musste. So hielt er auch Saidin beinahe krampfhaft fest. Gewöhnlich mied er ja alle Konferenzen, die nicht auf neutralem Boden oder bei ihm selbst stattfanden, aber dies war bereits das zweite Mal, dass er hierherkam. Ein klarer Fall von Notwendigkeit. Er war nie ein Mann gewesen, der anderen leicht Vertrauen schenkte, und das hatte sich gewiss nicht geändert, seit er erfahren hatte, was sich zwischen Demandred und den drei Frauen abgespielt hatte und Graendal hatte ihm auch nur so viel anvertraut, wie nötig gewesen war, um ihm klarzumachen, inwieweit sie selbst ihre Position verbessert hatte. Er verstand das ja nur zu gut, denn auch er hatte Pläne, von denen er die anderen Auserwählten nichts wissen ließ. Es würde nur einen Nae’blis geben, und das allein war fast genauso viel wert wie die Unsterblichkeit selbst.
Er stand auf einem breiten Podest, der an einem Ende eine Marmorbrüstung aufwies, und hier hatte man Tische und Stühle – vergoldet und teils aus Elfenbein geschnitzt, wobei einige ziemlich ekelhafte Motive zeigten – so aufgestellt, dass man von ihnen aus den Rest des langen, von Säulen gestützten Saales zehn Fuß unter ihnen gut übersehen konnte. Es führten keine Stufen dort hinunter. Der Saal war wie eine riesige, extravagant ausgestaltete
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