Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
runzlig, sicher, aber das gab sich wieder. »Es reicht noch nicht, dass ich völlig verwahrlose, dass ich bedienen und schleppen muss wie eine Dienerin, nein, nun erwartet man auch noch von mir, wie eine primitive …!«
Nynaeve unterbrach ihren Redeschwall mit einem einfachen Heilmittel: Sie dachte an einen kurzen Schlag mit einem Lederriemen, was das für ein Gefühl war, und dann verschob sie den Gedanken in den Teil ihres Gehirns, in dem die von Moghedien her empfangenen Gefühle ihren Platz hatten. Die andere Frau riss die dunklen Augen auf, klappte augenblicklich den Mund zu und presste die Lippen aufeinander. Kein harter Schlag, aber eine Mahnung.
»Schließt die Tür und setzt Euch«, sagte Nynaeve. »Ihr könnt die Betten später machen. Wir haben jetzt Unterricht.«
»Ich bin wirklich an Besseres gewöhnt«, grollte Moghedien, als sie dem Befehl nachkam. »Ein Nachtarbeiter in Tojar führte da ja noch ein besseres Leben!«
»Wenn ich mich nicht völlig verschätze«, sagte Nynaeve in scharfem Tonfall zu ihr, »dann stand bei einem Nachtarbeiter in wo-auch-immer kein Todesurteil im Raum. Wenn Ihr das wünscht, sagen wir gern Sheriam, wer Ihr wirklich seid.« Das war ein reiner Bluff – schon bei dem bloßen Gedanken an so etwas zog sich Nynaeve der Magen zu einem ätzenden Klumpen zusammen –, aber von Moghedien her ergoss sich eine beißende Flut von Angst durch den A’dam . Nynaeve bewunderte fast schon die Art und Weise, wie diese Frau ihre Miene beherrschte. Hätte sie das Gleiche empfunden, würde sie sich vermutlich verzweifelt auf dem Boden wälzen und mit den Zähnen knirschen.
»Was wollt Ihr von mir gezeigt bekommen?«, fragte Moghedien mit ausdrucksloser Stimme. Sie mussten ihr immer sagen, was sie genau von ihr wollten. Von allein bot sie ihnen praktisch niemals etwas an, außer sie übten einen derartigen Druck auf sie aus, dass Nynaeve es bereits als Vorstufe zur Folter betrachtete.
»Wir werden etwas versuchen, was Ihr uns bisher nur ungenügend beigebracht habt, nämlich festzustellen, wenn ein Mann die Macht benützt.« Das war bis jetzt das Einzige gewesen, was sie und Elayne nicht so schnell zu erlernen in der Lage gewesen waren. Es könnte aber nützlich sein, falls sie sich entschloss, wirklich nach Caemlyn zu reisen.
»Nicht gerade einfach, vor allem, wenn kein Mann da ist, mit dem man üben kann. Wie schade, dass ihr nicht in der Lage wart, Logain zu heilen.« Es lag keinerlei Spott in Moghediens Worten, und auch ihre Miene blieb ernst, doch nach einem Blick in Nynaeves Richtung fuhr sie schnell fort: »Aber wir können es ja trotzdem wieder versuchen.«
Es war wirklich alles andere als einfach. Das war es wohl nie, selbst wenn Nynaeve etwas schnell lernte, sobald sie einmal die Stränge des Gewebes deutlich sah. Moghedien konnte die Macht nicht gebrauchen, solange Nynaeve es ihr nicht gestattete und sie auch nicht anleitete, denn das war über den A’dam notwendig. Aber bei einem neuen Unterrichtsstoff musste sie Moghedien die Führung überlassen, da nur sie das entsprechende Muster kannte. Das war ziemlich verwickelt, und nur deshalb waren sie nicht in der Lage, jeden Tag ein Dutzend neuer Dinge von ihr zu übernehmen. In diesem Fall hatte Nynaeve bereits eine schwache Ahnung davon, wie die Stränge verwoben werden mussten, aber es war eben doch ein kompliziertes Flechtwerk aus Strängen aller Fünf Mächte, gegen das eine Heilung noch einfach war. Und dann verschob sich das Muster auch noch mit enormer Geschwindigkeit. Moghedien behauptete, dieser Schwierigkeiten wegen sei diese Methode auch nicht gerade oft benützt worden. Wenn man sehr lange daran arbeitete, bekam man außerdem noch quälende Kopfschmerzen.
Nynaeve legte sich auf ihr Bett zurück und arbeitete trotzdem, so hart sie nur konnte. Falls sie zu Rand ging, würde sie das möglicherweise benötigen, und man konnte ja nie wissen, wie schnell das plötzlich ging. Sie lenkte auch alle Stränge diesmal selbst, denn ein gelegentlicher Gedanke an Lan oder Theodrin erneuerte ihren Zorn in ausreichendem Maße. Früher oder später würde man Moghedien für ihre Verbrechen zur Rechenschaft ziehen, und wo stünde Nynaeve dann, wenn sie sich immer nur darauf verließe, die Kraft der anderen zu beanspruchen, wann immer sie es für notwendig hielt? Sie musste innerhalb ihrer eigenen Beschränkungen leben und arbeiten. Würde Theodrin wirklich eine Möglichkeit finden, ihren Block niederzubrechen? Lan musste noch am
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