Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Berelain hier die Führung anvertraut hatte. Kalte Vernunft. Sie war die erste Herrscherin, die ihm aus freien Stücken ihre Unterstützung angetragen hatte, und er konnte ihr vertrauen, weil sie ihn brauchte; nun, seit ihrem Bündnis, mehr denn je, weil Mayene sich auf diese Art Tear vom Hals hielt. Die Hochlords hatten Mayene stets als eine Provinz ihres Landes behandelt. Außerdem war sie eine Ausländerin aus einem kleinen Reich Hunderte von Wegstunden im Süden und hatte deshalb keinen Grund, in Cairhien irgendeine Partei oder ein Haus zu bevorzugen, keine Möglichkeit, selbst die Macht zu ergreifen, und sie wusste, wie man ein Land regiert. Harte Gründe. Da ihm klar war, wie die Aiel zu Cairhien standen und dessen Einwohner zu den Aiel, konnte er Rhuarc nicht als Statthalter einsetzen, denn das hätte zu einem Blutbad geführt. Davon hatte Cairhien schon zu viele erlebt.
Diese Einrichtung schien sich bewährt zu haben. Genau wie bei Semaradrid und Weiramon in Tear akzeptierten die Einwohner Cairhiens eine Frau aus Mayene als Statthalterin, weil sie kein Aiel war und zudem von Rand eingesetzt worden war. Berelain wusste genau, was sie tat, und sie hörte auch auf Rhuarcs Ratschläge. Er sprach schließlich für die in Cairhien verbliebenen Clanhäuptlinge. Zweifelsohne musste sie sich auch mit den Weisen Frauen auseinandersetzen, die ihre Einmischung in nahezu alle Angelegenheiten erst aufgeben würden, wenn die Aiel abmarschiert waren, jedoch ganz gewiss niemals vor den Aes Sedai, aber bisher hatte sie dazu nie etwas gesagt.
»Und Egwene?«, fragte Rand. »Geht es ihr besser?«
Berelain presste die Lippen ein wenig aufeinander. Sie mochte Egwene nicht. Aber Egwene konnte sie ebenfalls nicht leiden. Er kannte keinen Grund dafür, aber es war nun einmal so.
Rhuarc spreizte die Hände. »Soweit Amys mir Bescheid gibt.« Außer einer Weisen Frau war Amys auch seine Ehefrau. Eine seiner Ehefrauen, denn er hatte zwei – eine der eigenartigeren Sitten der Aiel, über die Rand immer wieder staunte. »Sie sagt jedenfalls, Egwene brauche noch Ruhe, Spaziergänge an der frischen Luft und viel zu essen. Ich glaube, sie macht in den kühlen Tagesstunden ihre Spaziergänge.« Berelain warf ihm einen amüsierten Blick zu. Der dünne Schweißfilm auf ihrem Gesicht minderte ihre Schönheit keineswegs, aber Rhuarc schwitzte natürlich nicht.
»Ich würde sie gern treffen – wenn die Weisen Frauen es erlauben«, fügte Rand noch hinzu. Die Weisen Frauen hüteten ihre Privilegien genauso eifersüchtig wie alle Aes Sedai, die er je kennengelernt hatte, und zwar jedem gegenüber, ob es Septenhäuptlinge waren, Clanhäuptlinge, und vor allem der Car’a’carn . »Aber zuerst …«
Ein Geräusch hatten sie zunächst ganz unbewusst wahrgenommen, als sie sich einem Abschnitt näherten, an dem die Außenwand durch eine säulenbewehrte Steinbalustrade ersetzt worden war: das Klappern von Übungsschwertern. Im Vorbeigehen blickte Rand hinunter. Zumindest hatte er die Absicht, doch was er dort unten sah, ließ ihn verstummen und stehen bleiben. Unter den Augen eines hoch aufgerichteten einheimischen Ausbilders in einem einfach geschnittenen grauen Mantel hieben ein Dutzend schweißgetränkte Frauen paarweise aufeinander ein. Manche von ihnen trugen Reitkleidung mit Hosenröcken, andere wiederum Männerhosen und Mäntel. Die meisten stellten sich bei ihren Fechtübungen noch recht ungeschickt an, während andere mit flüssigen Bewegungen von einer Figur zur anderen überwechselten, wobei sie allerdings die Klingen aus gebündelten Latten nur zögernd schwangen. Alle schienen in grimmige Entschlossenheit gehüllt wie in einen Umhang, wenn auch diese Haltung durch gelegentliches verlegenes Lachen aufgelockert wurde, sobald eine von ihnen einsah, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Der Bursche mit dem steifen Kreuz klatschte in die Hände, und die keuchenden Frauen stützten sich auf ihre Übungsschwerter. Einige rieben sich die Arme, die offensichtlich nicht an diese Anstrengung gewöhnt waren. Aus Türen, die Rand nicht sehen konnte, eilten Diener und Dienerinnen hervor, verbeugten sich oder knicksten, während sie Tabletts mit Krügen und Bechern herumreichten. Aber falls sie wirklich Diener waren, dann war ihre Livree eigenartig und in Cairhien sonst nicht üblich. Sie trugen nämlich Weiß. Kleider und Mäntel und Hosen, alle waren reinweiß.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte er. Rhuarc gab einen angewiderten Laut von
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