Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
aber der Adlige hätte niemals dazu gestanden. In Salidar schien es auch keine Mücken zu geben. Vielleicht wissen sie etwas, was ich nicht weiß.
Eine Frau zog seinen Blick auf sich, eine hübsche Frau in merkwürdiger Kleidung – eine weite gelbe Hose und ein kurzer weißer Mantel – und das goldene Haar bis zur Taille kunstvoll geflochten. Sie trug einen Bogen bei sich. Nicht viele Frauen fühlten sich für den Bogen berufen. Sie bemerkte seinen Blick und verschwand in einer schmalen Gasse. Etwas an ihr erweckte seine Erinnerung, aber er konnte nicht sagen, was es war. Das war der Haken an diesen alten Erinnerungen. Er sah stets Menschen, die ihn an jemanden erinnerten, der, wie sich herausstellte, wenn es ihm wieder einfiel, bereits seit tausend Jahren tot war. Vielleicht hatte er sogar einmal wirklich jemand gekannt, der dieser Frau ähnlich sah. Jene Lücken in der Erinnerung an sein eigenes Leben waren von Verschwommenem umgeben. Wahrscheinlich ein weiterer Jäger des Horns, dachte er verwirrt und verdrängte den Gedanken an die Frau.
Es hatte keinen Sinn umherzureiten, bis jemand sie ansprach, weil es anscheinend niemand tun würde. Mat zügelte sein Pferd und nickte einer dünnen, dunkelhaarigen Frau zu, die gelassen zu ihm hochsah. Sie war hübsch, aber für seinen Geschmack selbst ohne dieses alterslose Gesicht zu hager. Wer wollte schon bei jeder Umarmung gestochen werden? »Mein Name ist Mat Cauthon«, sagte er ruhig. Wenn sie Huldigungen erwartete, würde sie enttäuscht werden, aber es wäre auch töricht, ihre Feindschaft zu erwecken. »Ich suche Elayne Trakand und Egwene al’Vere. Und auch Nynaeve al’Meara.« Rand hatte sie nicht erwähnt, aber Mat wusste, dass sie mit Elayne fortgegangen war.
Die Aes Sedai blinzelte überrascht, fasste sich aber augenblicklich wieder. Sie betrachtete ihn und die anderen einen nach dem anderen, hielt bei Aviendha inne und betrachtete auch die Unterführer dann so lange, dass Mat sich fragte, ob sie den Drachen und die schwarz-weiße Scheibe durch die Falten des Stoffes hindurch sehen konnte. »Folgt mir«, sagte sie schließlich. »Ich werde nachsehen, ob der Amyrlin-Sitz Euch empfangen kann.« Sie raffte ihre Röcke und eilte die Straße hinauf.
Während Mat Pips hinter ihr herführte, ließ Vanin seinen Grauen zurückfallen und murrte: »Aes Sedai nach etwas zu fragen, ist niemals gut. Ich hätte Euch den Weg zeigen können.« Mat wandte den Kopf einem dreistöckigen, kubusförmigen Steingebäude zu. »Sie nennen es die Kleine Burg.«
Mat zuckte unbehaglich die Achseln. Die Kleine Burg? Und hier gab es jemanden, den sie den Amyrlin-Sitz nannten? Er bezweifelte, dass die Frau Elaida gemeint hatte. Rand hatte sich erneut geirrt. Diese Leute hatten keine Angst. Sie waren zu stolzgeschwellt und verrückt, um Angst zu haben.
Vor dem kubusförmigen Steingebäude sagte die hagere Aes Sedai herrisch: »Wartet hier.« Sie verschwand im Inneren.
Aviendha glitt vom Pferd, und Mat tat es ihr schnell nach, bereit, sie zu ergreifen, falls sie fliehen wollte. Auch wenn es ihm in der Seele wehtat, würde er sie nicht davonlaufen und Elayne die Kehle aufschlitzen lassen, bevor er auch nur die Gelegenheit gehabt hatte, mit dieser sogenannten Amyrlin zu sprechen. Aber sie stand nur da und starrte mit über der Taille verschränkten Händen und dem um die Ellenbogen geschlungenen Schultertuch vor sich hin. Sie wirkte vollkommen gelassen, aber er dachte, dass sie vielleicht dennoch schreckliche Angst hatte. Wenn sie Verstand hätte, würde sie sich fürchten. Sie hatten eine Menschenmenge angezogen.
Aes Sedai hatten sich versammelt, schlossen sie vor der Kleinen Burg ein und beobachteten Mat schweigend, während der Halbkreis der Frauen immer dichter wurde, je länger er dort stand. Tatsächlich schienen sie Aviendha genauso zu beobachten wie ihn, aber er spürte all jene kühlen, unlesbaren Blicke. Er konnte sich kaum beherrschen, den silbernen Fuchskopf unter seinem Hemd zu berühren.
Eine Aes Sedai mit klaren Gesichtszügen bahnte sich ihren Weg zur vordersten Reihe der Menge und führte eine schlanke junge Frau in Weiß mit sich. Sie erinnerte ihn vage an Anaiya, aber sie schien kaum an ihm interessiert. »Seid Ihr sicher, Kind?«, fragte sie die Novizin.
Die junge Frau presste den Mund leicht zusammen, aber ihre Stimme klang fest. »Er scheint noch immer zu leuchten oder zu strahlen. Ich sehe es wirklich. Ich weiß nur nicht warum.«
Anaiya lächelte sie erfreut
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