Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
an. »Er ist Ta’veren , Nicola. Ihr habt Euer erstes Talent entdeckt. Ihr könnt Ta’veren sehen. Und jetzt zurück zum Unterricht. Schnell. Ihr wollt doch nichts versäumen.« Nicola vollführte einen Hofknicks und verschwand mit einem letzten Blick auf Mat in der Menge der sie umgebenden Aes Sedai.
Dann sah Anaiya ihn an, mit einem jener Aes Sedai-Blicke, die einen Mann beunruhigen sollten. Er beunruhigte ihn tatsächlich ausreichend. Natürlich wussten einige Aes Sedai etwas über ihn – einige wussten mehr, als ihm lieb war, und wenn er darüber nachdachte, erinnerte er sich daran, dass Anaiya dazugehörte –, aber wenn die Dinge so verkündet wurden, bevor das Licht wusste wie vielen Frauen mit jenen kühlen Aes Sedai-Augen … Er strich mit der Hand über das geschnitzte Heft seines Schwertes. Fuchskopf oder nicht, sie waren ausreichend viele, dass sie einfach Hand an ihn legen und ihn davontragen könnten. Verdammte Aes Sedai! Verdammter Rand!
Aber Anaiyas Aufmerksamkeit galt nur kurz ihm. Sie trat zu Aviendha und sagte: »Und wie heißt Ihr, Kind?« Ihre Stimme klang freundlich, erwartete aber unverzüglich eine Antwort.
Aviendha sah sie offen an. Sie war einen Kopf größer und nutzte auch jeden Zentimeter dieser Größe. »Ich bin Aviendha, von der Neun-Täler-Sept der Taardad Aiel.« Anaiya verzog den Mund zu der Andeutung eines Lächelns, als sie den trotzigen Unterton bemerkte.
Mat fragte sich, wer bei diesem Duell der Blicke wohl siegen würde, aber bevor er sich eine Meinung darüber bilden konnte, trat eine weitere Aes Sedai zu ihnen, eine Frau, deren knochiges Gesicht trotz glatter Wangen und glänzendem braunen Haar den Eindruck von Alter vermittelte. »Seid Ihr Euch bewusst, dass Ihr die Macht lenken könnt, Kind?«
»Ja«, antwortete Aviendha kurz und schloss jäh den Mund, als beabsichtige sie von jetzt ab zu schweigen. Sie konzentrierte sich darauf, ihr Tuch zu richten, aber sie hatte schon genug gesagt. Aes Sedai drängten zu ihr heran und schoben Mat beiseite.
»Wie alt seid Ihr, Kind?«
»Ihr habt viel Kraft entwickelt, aber Ihr könntet als Novizin noch vieles dazulernen.«
»Sterben viele Aiel-Mädchen in jüngerem Alter als Eurem an Abzehrung?«
»Wie lange habt Ihr …«
»Ihr könntet …«
»Ihr solltet wirklich …«
»Ihr müsst …«
Nynaeve erschien so plötzlich im Eingang, dass sie sich aus der Luft materialisiert zu haben schien. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und sah Mat an. »Was tust du hier, Matrim Cauthon? Wie bist du hierhergelangt? Vermutlich wird meine Hoffnung enttäuscht, dass du etwas mit diesem Heer der Drachenverschworenen zu tun hast, das hierherkommen soll.«
»Tatsächlich«, sagte er trocken, »bin ich der Befehlshaber.«
»Du …!« Nynaeve stand mit offenem Mund da, riss sich dann aber zusammen und zupfte an ihrem blauen Gewand, als sei es in Unordnung gewesen. Es war tiefer ausgeschnitten als jedes andere Gewand, an das er sich bei ihr von früher erinnern konnte, tief genug, um Einblick zu gewähren, mit gelben Ornamenten an Halsausschnitt und Saum. »Nun, dann komm mit«, sagte sie scharf. »Ich bringe dich zur Amyrlin.«
»Mat Cauthon«, rief Aviendha ein wenig atemlos. Sie suchte ihn über die Köpfe der Aes Sedai hinweg. »Mat Cauthon.« Mehr nicht, aber sie wirkte für Aiel-Verhältnisse außer sich.
Die sie umgebenden Aes Sedai sprachen mit ruhigen Stimmen überlegt, aber unaufhörlich weiter.
»Für Euch wäre es das Beste, wenn …«
»Ihr müsst bedenken …«
»Das Allerbeste …«
»Ihr könnt wohl kaum erwägen …«
Mat grinste. Sie würde wohl jeden Moment ihr Messer ziehen, aber er bezweifelte, dass es ihr in dieser Menschenmenge viel nützen würde. Sie würde Elayne nicht so bald erwischen, das war sicher. Mit der Überlegung, ob er sie bei seiner Rückkehr in einem weißen Gewand vorfinden würde, machte er Vanin mit dem Speer ein Zeichen. »Geh voraus, Nynaeve. Lass uns dieser Amyrlin begegnen.«
Sie sah ihn finster stirnrunzelnd an, führte ihn aber in das Gebäude, während sie an ihrem Zopf zog und halb zu sich selbst murrte: »Dies ist Rands Werk, nicht wahr? Ich weiß es. Irgendwie ist es das. Jedermann vor Angst halbwegs in den Wahnsinn zu treiben! Achte darauf, wo du hintrittst, Lordhauptmann Cauthon, oder ich schwöre, dass du dir wünschen wirst, ich hätte dich nur wieder beim Blaubeerenstehlen erwischt. Menschen zu ängstigen! Selbst ein Mann sollte mehr Verstand haben! Hör auf zu
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