Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
lächeln. »Lasst ihn bestehen.« Vielleicht hatte die Weiße Burg genauso bescheiden angefangen. Nicht dass die Schwarze Burg jemals Zeit haben würde, zu einer Konkurrenz für die Weiße Burg anzuwachsen. Rands Lächeln verblasste, und er betrachtete die Kinder traurig. Er betrog sich genauso sehr wie sie, gab vor, es bestünde eine Chance, etwas Beständiges aufzubauen. »Versammelt die Schüler, Taim. Ich habe ihnen einiges zu sagen.«
Er war in der Erwartung gekommen, sie um sich zu scharen, aber als er dann ihre Anzahl gesehen hatte, hatte er überlegt, von der Plattform des klapprigen Wagens aus zu sprechen, der jetzt aber anscheinend verschwunden war. Taim besaß jedoch ein Rednerpodest, ein einfacher schwarzer Steinblock, der so glatt poliert war, dass er im Sonnenlicht wie ein Spiegel schimmerte und in dessen Rückseite zwei Stufen geschnitten waren. Er stand auf freiem Gelände jenseits des Gutshauses. Der den Block umgebende Boden war flach und festgetreten. Die Frauen und Kinder versammelten sich auf einer Seite, um ihn zu sehen und ihm zuzuhören.
Von dem Block aus konnte Rand erkennen, wie weit Taims Erhebungsreise ihn geführt haben musste. Jahar Narishma, den Taim besonders erwähnt hatte, der junge Mann mit dem Talent, hatte mädchenhaft große dunkle Augen, ein blasses vertrauensvolles Gesicht und trug das Haar in zwei langen Zöpfen mit Silberglocken an den Enden. Taim hatte gesagt, er stamme aus Arafel. Rand erkannte bei einem anderen Mann den rasierten Kopf und das Haarbüschel eines Shienarers. Zwei Männer trugen durchscheinende Schleier, die in Tarabon häufig von Männern und Frauen gleichermaßen getragen wurden. Er sah die schräg stehenden Augen aus Saldaea und hellhäutige, kleine Burschen aus Cairhien. Ein alter Mann trug einen geölten und fast in der für einen tairenischen Lord typischen Art geschnittenen Bart, und nicht weniger als drei Männer trugen Bärte, bei denen die Oberlippe frei blieb. Er hoffte, dass Taim nicht Sammaels Interesse erweckt hatte, indem er Illianer eingezogen hatte. Er hatte hauptsächlich jüngere Männer erwartet, aber frische Gesichter wie die Ebens und Fedwins waren lediglich in gleichem Maße vertreten wie graue oder kahl werdende Köpfe, deren einige noch ergrauter waren als Damer. Als Rand jetzt darüber nachdachte, erschien es ihm nicht mehr rätselhaft. Es gab keinen Grund, warum nicht genauso viele Großväter wie Jungen hier sein sollten, die gelehrt werden konnten.
Er war kein großer Redner, aber er hatte lange und angestrengt über das nachgedacht, was er sagen wollte. Nicht über den ersten Teil seiner Rede, der mit etwas Glück am schnellsten abgehandelt sein würde. »Ihr habt wahrscheinlich alle Geschichten darüber gehört, dass die Burg – die Weiße Burg – sich gespalten hat. Nun, es ist wahr. Es gibt einige aufrührerische Aes Sedai, die mir vielleicht folgen wollen, und sie haben eine Abordnung gesandt. Neun von ihnen befinden sich gerade in Caemlyn und erwarten meine Gunst. Wenn Ihr also von Aes Sedai in Caemlyn hört, glaubt keinen Gerüchten. Ihr wisst, warum sie dort sind, und könnt Burschen, die Gerüchte verbreiten, ins Gesicht lachen.«
Keine Reaktion erfolgte. Sie standen einfach da und starrten zu ihm hoch, wobei sie kaum zu blinzeln schienen. Taim wirkte wenig einverstanden, sehr wenig einverstanden. Rand berührte den größeren Beutel in seiner Tasche und fuhr mit dem Teil seiner Rede fort, den er genau ausgearbeitet hatte.
»Ihr braucht einen Namen. Aes Sedai bedeutet in der Alten Sprache ›Diener aller‹ oder doch etwas sehr Ähnliches. Die Alte Sprache ist nicht leicht zu übersetzen.« Er kannte selbst nur wenige Worte, einige von Asmodean, eine Handvoll von Moiraine und einige, die von Lews Therin durchgesickert waren. Zudem hatte ihn Bashere mit den notwendigsten Worten versorgt. »Ein anderes Wort in der Alten Sprache lautet Asha’man . Es bedeutet ›Wächter‹ oder ›Verteidiger‹ und vielleicht noch ein paar andere Dinge. Ich sagte Euch bereits: Die Alte Sprache ist sehr dehnbar. Aber ›Wächter‹ scheint mir die beste Übersetzung. Aber es bezeichnet nicht einfach jeden Verteidiger oder Wächter. Man könnte keinen Mann als Asha’man bezeichnen, der eine ungerechte Sache verficht, und niemals einen schlechten Menschen. Ein Asha’man war ein Mann, der für jedermann Wahrheit und Gerechtigkeit und Recht verteidigte. Ein Wächter, der nicht aufgab, selbst wenn die Hoffnung erloschen war.« Das
Weitere Kostenlose Bücher