Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Juilin. Thom, ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss – wegen dem, was ich über den Brief gesagt habe. Die Hitze und die Sorge um die törichten Frauen waren schuld. Ich hoffe, der Brief enthielt gute Nachrichten.« Er erinnerte sich zu spät an Thoms Worte. Er hatte die Frau, die diesen Brief geschrieben hatte, sterbend zurückgelassen.
Aber Thom zuckte nur die Achseln. Mat wusste nicht, wie er ihn ohne seinen Gauklerumhang nehmen sollte. »Gute Neuigkeiten? Das habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können. Oft weiß man nicht, ob eine Frau eine Freundin, eine Feindin oder eine Geliebte ist, bis es zu spät ist. Manchmal ist sie alles zugleich.« Mat erwartete ein Lachen, aber Thom runzelte nur die Stirn und seufzte. »Frauen scheinen sich gern geheimnisvoll zu geben, Mat. Ich kann dir ein Beispiel nennen. Erinnerst du dich an Aludra?«
Mat dachte nach. »Die Feuerwerkerin, die wir in Aringill davor bewahrt haben, dass ihr die Kehle durchgeschnitten wurde?«
»Genau die. Juilin und ich trafen sie auf unseren Reisen, und sie kannte mich nicht … Nicht dass sie mich nicht wiedererkannt hätte. Man redet mit Fremden, mit denen man reist, um sie kennenzulernen. Aludra wollte nicht mit mir reden, und auch wenn ich nicht weiß warum, sah ich keinen Grund, Eindruck zu schinden. Ich traf sie als Fremde und verließ sie als Fremde. Würdest du sie als eine Freundin oder eine Feindin bezeichnen?«
»Vielleicht eine Geliebte«, antwortete Mat trocken. Er hätte nichts dagegen, Aludra wiederzubegegnen. Sie hatte ihm einige sehr nützliche Anregungen gegeben. »Wenn du etwas über Frauen wissen willst, dann frage Perrin, nicht mich. Ich weiß überhaupt nichts. Ich habe immer gedacht, Rand wüsste etwas darüber, aber bei Perrin bin ich mir dessen sicher.« Elayne sprach unter den wachsamen Blicken der Jägerin mit den beiden weißhaarigen Aes Sedai. Eine von ihnen schaute nachdenklich in Mats Richtung. Sie verhielten sich genau wie Elayne, kühl wie Königinnen auf ihrem verdammten Thron. »Nun, vielleicht brauche ich mich nicht lange mit ihnen aufzuhalten«, murmelte er zu sich selbst. »Mit etwas Glück wird ihr Vorhaben nicht allzu lange dauern, und wir können in fünf oder zehn Tagen zurück sein.« Mit etwas Glück wäre er vielleicht zurück, bevor die Bande die unvernünftigen Frauen unbemerkt zu beschatten begann. Zwei Heere zu verfolgen wäre natürlich genauso leicht, wie einen Kuchen zu stehlen, aber er wollte nicht mehr Zeit in Elaynes Gegenwart verbringen als nötig.
»Zehn Tage?«, sagte Thom. »Mat, selbst mit diesem Wegetor wird es schon fünf oder sechs Tage dauern, bis wir Ebou Dar erreichen. Das ist zwar besser als ein Ritt von zwanzig Tagen, aber …«
Mat hörte nicht mehr zu. Der ganze Ärger, der sich aufgebaut hatte, seit er Egwene zum ersten Mal gesehen hatte, brach sich jäh Bahn. Er riss sich den Hut vom Kopf und näherte sich Elayne und den anderen Frauen. Es war schon schlimm genug, ihn im Ungewissen zu lassen – wie sollte er sie vor Gefahr schützen, wenn sie ihm nichts sagten? –, aber dies war lächerlich. Nynaeve sah ihn kommen und flüchtete hinter ihre Stute.
»Es wird ein Erlebnis sein, mit einem Ta’veren zu reisen«, bemerkte eine der weißhaarigen Aes Sedai. Mat konnte auch aus der Nähe ihr Alter nicht bestimmen, aber irgendwie vermittelte ihr Gesicht den Eindruck hohen Alters. Es musste an ihrem Haar liegen. Die andere Aes Sedai hätte ihr Spiegelbild sein können. Vielleicht waren sie tatsächlich Schwestern. »Ich bin Vandene Namelle.«
Mat war nicht in der Stimmung, darüber zu sprechen, dass er ein Ta’veren war. Er war niemals in dieser Stimmung, aber jetzt ganz sicher nicht. »Was ist das für ein Unsinn, dass wir fünf oder sechs Tage bis Ebou Dar brauchen?« Der alte Behüter richtete sich auf und sah ihn scharf an, und Mat taxierte auch ihn neu. Er war zwar sehnig, aber auch hart wie alte Wurzeln, was man seiner Stimme nicht anmerkte. »Ihr könnt in Sichtweite Ebou Dars ein Wegetor eröffnen. Wir sind kein verdammtes Heer, das jemanden ängstigen will, und was das Erscheinen aus dem Nichts betrifft, so seid Ihr Aes Sedai. Die Menschen erwarten von Euch, dass Ihr aus dem Nichts erscheint und durch Mauern geht.«
»Ich fürchte, Ihr sprecht die Falsche an«, sagte Vandene. Er betrachtete die andere weißhaarige Frau, die den Kopf schüttelte, während Vandene hinzufügte: »Ich fürchte, Adeleas ist auch nicht die Richtige. Es scheint, dass wir
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