Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Menschen schlenderten über die hellen Pflastersteine, was bei der Hitze nicht verwunderlich war. Einige wenige nahmen auf der untersten Stufe des Statuensockels ihre Mittagsmahlzeit ein, und Tauben und Möwen hatten sich um sie versammelt und kämpften um Krumen. Es war ein Bild der Ruhe. Mat verstand nicht, warum er plötzlich den Würfel in seinem Kopf rollen spürte.
Er kannte dieses Gefühl gut. Manchmal empfand er es, wenn er eine Glückssträhne beim Spiel hatte. Es war immer da, wenn ein Kampf zu erwarten war. Und es schien sich anzukündigen, wenn eine lebenswichtige Entscheidung zu treffen war, die Art Entscheidung, bei der die falsche Wahl ihn sehr wohl den Kopf kosten konnte.
»Wir werden jetzt hineingehen, durch eines der kleineren Tore«, verkündete Vandene. Adeleas nickte zustimmend. »Merilille wird uns Zimmer besorgen, damit wir uns ausruhen können.«
Das musste bedeuten, dass dies der Tarasin-Palast war, wo Tylin Quintara vom Hause Mitsobar auf dem Thron der Winde saß, in Wahrheit aber nur vielleicht hundert Meilen um Ebou Dar herum regierte. Eines der wenigen Dinge, die er über diese Reise hatte in Erfahrung bringen können, war, dass die Aes Sedai in dem Palast eine der ihren treffen sollten, und natürlich Tylin. Aes Sedai würden die Königin treffen. Mat betrachtete die gewaltige Masse schimmernden Marmors und weißer Pflastersteine, und er dachte, wie es wohl wäre, dort drinnen zu wohnen. Er mochte Paläste normalerweise. Zumindest mochte er Örtlichkeiten mit Dienern und Gold, und Federbetten waren auch nicht schlecht. Aber ein königlicher Palast verhieß Adlige, wo immer man hinschaute. Mat zog die Anwesenheit nur weniger Adliger auf einem Haufen vor. Nalesean allein konnte ihn schon verärgern. Ein Palast dieser Größe bedeutete, dass er sich entweder ständig fragen müsste, wo sich Nynaeve und Elayne aufhielten, oder Posten beziehen und sie ständig im Auge behalten müsste. Er war sich nicht sicher, was schlimmer wäre: wenn sie ihn dort drinnen als Leibwächter duldeten oder wenn sie es ablehnten. Er konnte Elayne schon mit dieser kühlen Stimme sagen hören: Bitte findet irgendeine Unterkunft für Meister Cauthon und meine Männer. Sorgt dafür, dass sie zu essen und zu trinken bekommen. Das würde sie gewiss tun. Sie würde zu ihren Besichtigungen hereinplatzen und ihm sagen, dass er tun sollte, was er schon längst vorgehabt hatte. Und doch könnten sie und Nynaeve vor Schwierigkeiten nirgends sicherer sein als im Palast einer Königin. Außerdem wollte er nur irgendwo die Füße hochlegen und mit einem Mädchen auf den Knien gewürzten Wein trinken, um das Pochen in seinen Schläfen zu besänftigen. Feuchte Handtücher wären auch gut. Sein Kopf schmerzte. Die bereitwillige Lektion, die Elayne heute Morgen über das Übel des Trinkens erteilt hatte, klang ihm noch in den Ohren. Das war ein weiterer Grund dafür, warum er wieder Halt finden musste. Er war zu schwach gewesen, um etwas zu erwidern. Er war einfach nur aus dem Bett geschlichen und hatte sich gefragt, ob er sich auf Pips hieven könnte.
All das ging ihm in der Zeit durch den Sinn, die Vandene brauchte, um ihr Pferd zum Palast umzuwenden. »Ich werde für meine Männer in einem der Gasthäuser Zimmer besorgen«, sagte er laut. »Wenn du oder Elayne ausgehen wollt, Nynaeve, könnt ihr eine Nachricht schicken, und ich werde euch einige Männer zur Begleitung mitgeben.« Sie würden es wahrscheinlich nicht tun – niemand vermochte eine Frau zu bevormunden, die sich in einer Bärengrube mit bloßen Händen verteidigen zu können glaubte –, aber er hätte darauf gewettet, dass Vanin eine Möglichkeit wüsste herauszufinden, wann sie ausgingen. Und wenn nicht er, dann Juilin. Ein Diebefänger sollte wissen, wie man das anstellte. »Das dort wird genügen.« Er deutete zufällig auf ein großes Gebäude jenseits des Platzes. Über dem Bogeneingang schwang ein Schild, das er nicht erkennen konnte.
Vandene schaute zu Adeleas. Elayne schaute zu Nynaeve. Und Aviendha sah ihn stirnrunzelnd an.
Er gab jedoch keiner von ihnen die Gelegenheit zu einer Erwiderung. »Thom, Juilin, was haltet ihr von einigen Bechern gewürztem Wein?« Vielleicht wäre Wasser besser. Er hatte niemals zuvor in seinem Leben so viel getrunken.
Thom schüttelte den Kopf. »Vielleicht später, Mat. Ich möchte in der Nähe bleiben, falls Elayne mich braucht.« Das fast väterliche Lächeln, das er ihr zugedachte, schwand, als er sah, dass sie
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