Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
wiederum zornig machte. Faile besprach Angelegenheiten, die nur sie beide etwas angingen, offensichtlich mit den anderen Frauen, was ihn noch zorniger machte. Über welche anderen Bereiche ihrer Ehe plauderte sie beim Tee noch? An diesem Abend zog Faile unter seinen erstaunten Blicken trotz der Hitze ein dickes, wollenes Nachtgewand an. Als er sie fast schüchtern auf die Wange zu küssen versuchte, murmelte sie, dass sie einen anstrengenden Tag gehabt habe, und drehte ihm den Rücken zu. Sie roch wütend, ausgesprochen wütend.
Er konnte bei diesem Geruch nicht schlafen, und je länger er neben ihr lag und in der Dunkelheit die Decke anstarrte, desto zorniger wurde auch er. Warum tat sie das? Konnte sie nicht erkennen, dass er sie liebte? Hatte er ihr nicht immer wieder gezeigt, dass er sie, mehr als alles andere auf der Welt, für immer behalten wollte? Konnte man ihm einen Vorwurf daraus machen, dass eine törichte junge Frau der Hafer stach und sie schäkern wollte? Er sollte sie auf den Kopf stellen und ihr das Hinterteil verbläuen, bis sie wieder zur Vernunft kam. Nur hatte er das schon einmal getan, als sie glaubte, sie könne ihn mit der Faust schlagen, wann immer sie etwas durchsetzen wollte. Auf lange Sicht hatte es ihn mehr geschmerzt als sie. Ihm gefiel nicht einmal der Gedanke daran, dass Faile Schmerzen zugefügt wurden. Er wollte Frieden mit ihr. Mit ihr und nur mit ihr.
Im ersten in den Fenstern widergespiegelten Dämmerlicht ihres sechsten Tages in Cairhien traf er eine Entscheidung. Berelain hatte im Stein mit einem Dutzend Männern geschäkert, von denen er wusste. Was auch immer sie dazu veranlasst hatte, ihn als ihre Beute zu erwählen, so würde sie sich doch auf jemand anderen verlegen, wenn er eine Weile unerreichbar wäre. Und wenn Berelain erst ein anderes Opfer erwählt hätte, käme Faile wieder zur Vernunft. Es schien ganz einfach.
Er kleidete sich so bald wie möglich an und machte sich auf die Suche nach Loial, frühstückte mit ihm und begleitete ihn in die Königliche Bibliothek. Als er diese schlanke Aes Sedai sah und Loial ihm sagte, sie käme jeden Tag hierher – Loial war in Gegenwart von Aes Sedai zwar schüchtern, aber es störte ihn auch nicht, wenn fünfzig von ihnen um ihn waren –, spürte Perrin Gaul auf und fragte ihn, ob er mit ihm auf die Jagd gehen wolle. Es gab natürlich nicht allzu viel Wild oder Hasen in den Bergen nahe der Stadt, und die wenigen Tiere litten genauso unter der Dürre wie die Menschen, und doch hätte Perrins Nase die Fährte jedes Tieres aufnehmen können. Er legte nicht ein einziges Mal einen Pfeil ein, aber er beharrte darauf, draußen zu bleiben, bis Gaul ihn fragte, ob er im Licht des Halbmonds Fledermäuse jagen wolle. Perrin vergaß manchmal, dass andere Menschen nachts nicht so gut sehen konnten wie er. Am nächsten Tag jagte er ebenfalls bis in die Dunkelheit, wie auch jeden weiteren Tag.
Sein einfacher Plan schien jedoch fehlzuschlagen. Als er in der ersten Nacht in den Sonnenpalast zurückkehrte, den nicht gespannten Bogen über der Schulter und angenehm müde vom vielen Umherwandern, trug ein nur zufälliger Luftzug Berelains Parfüm gerade noch rechtzeitig an ihn heran, dass er die Haupteingangshalle des Palastes meiden konnte. Er bedeutete den Aiel-Wächtern, sich ruhig zu verhalten, und schlich sich zu einem Dienstboteneingang, wo er klopfen musste, um von einem Burschen mit trüben Augen eingelassen zu werden. In der nächsten Nacht wartete Berelain im Gang vor seinen Räumen. Er musste sich die halbe Nacht hinter einer Ecke verbergen, bevor sie aufgab. Sie wartete jede Nacht irgendwo, als könnte sie eine zufällige Begegnung vortäuschen, wenn außer einigen Dienern niemand sonst mehr wach war. Es war verrückt. Warum hatte sie sich nicht jemand anderem zugewandt? Und jede Nacht, wenn er sich schließlich mit den Stiefeln in der Hand in sein Schlafzimmer schlich, schlief Faile in diesem verdammten dicken Nachtgewand. Er war schon lange vor seiner sechsten schlaflosen Nacht hintereinander bereit zuzugeben, dass er sich geirrt hatte, obwohl er noch immer nicht verstand wieso. Es war ihm so verdammt einfach erschienen. Er wollte nur ein Wort von Faile hören, einen Hinweis darauf, was er sagen oder tun sollte. Aber er bekam nur das Geräusch seines eigenen Zähneknirschens in der Dunkelheit zu hören.
Am zehnten Tag erhielt Rand ein weiteres Bittschreiben Coirens um eine Anhörung, das genauso höflich abgefasst war wie die
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