Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
gedacht hätte, dass Frau Anan sie auf der Stelle verlassen würde, hätte sie geschrien.
Die gewundene Gasse wurde zu einer Straße, und es war kein sinnvolles Gespräch mehr möglich. Der schmale Rand der Sonne leuchtete blendend über die Dächer über ihnen. Elayne beschattete sehr betont ihre Augen mit einer Hand. Nynaeve weigerte sich. Es war nicht so schlimm, und sie blinzelte kaum. Ein klarer blauer Himmel spottete ihrem Wettersinn, der ihr noch immer sagte, dass ein Sturm über der Stadt hing.
Bei Tagesanbruch waren schon einige Kutschen in den gewundenen Straßen unterwegs, und mehrere Sänften, die von zwei oder manchmal vier barfüßigen Männern in grün-rot gestreiften Westen getragen wurden. Karren und Wagen rumpelten über die Pflastersteine, Menschen bevölkerten allmählich die Straßen, als Ladentüren geöffnet und Markisen hochgezogen wurden, Lehrlinge in Westen erledigten eilig Botengänge, Männer mit großen zusammengerollten Teppichen auf den Schultern, Akrobaten, Jongleure und Musikanten machten sich an den Häuserecken bereit, und Straßenhändler ließen sich mit ihren Kästen mit Anstecknadeln, Bändern oder schäbigen Früchten nieder. Auf den Fisch- und Fleischmärkten herrschte schon lange Betrieb. Alle Fischhändler waren Frauen und die meisten Metzger ebenfalls, bis auf diejenigen, die mit Rindfleisch handelten.
Frau Anan bahnte sich an Kutschen und Wagen vorbei, die anscheinend keinen Grund sahen, ihr Tempo zu verlangsamen, festen Schrittes ihren Weg durch die Menge und an reichlich vorhandenen Hindernissen vorbei. Sie schien eine wohlbekannte Person zu sein, die von Ladenbesitzern, Handwerkern und anderen Wirten, die in den Eingängen standen, gegrüßt wurde. Die Ladenbesitzer und Handwerker wurden mit ein paar Worten und einem freundlichen Nicken bedacht, aber bei Wirten blieb sie stets stehen, um einen Moment zu plaudern. Nach dem ersten wünschte sich Nynaeve inbrünstig, sie würde es nicht wieder tun. Nach dem zweiten betete sie darum. Nach dem dritten blickte sie starr geradeaus und versuchte vergebens, nicht mehr zuzuhören. Elaynes Gesicht wurde immer angespannter und kälter. Sie reckte ihr Kinn so weit empor, dass man sich wundern musste, dass sie den Weg noch sehen konnte.
Nynaeve musste widerwillig zugeben, dass sie allen Grund dazu hatte. In Ebou Dar konnte vielleicht jemand in einem Seidengewand über einen Platz gehen, aber nicht weiter. Jedermann sonst trug Tuch oder Leinen, selten nur bestickt, bis auf einen gelegentlichen Bettler, der sich ein abgelegtes Seidengewand angeeignet hatte, das an jeder Ecke ausgefranst und mehr Loch als Kleidung war. Sie wünschte nur, Frau Anan hätte eine andere Erklärung dafür gefunden, warum sie sie beide durch die Straßen führte. Sie wünschte, sie musste nicht erneut der Geschichte über zwei launische Mädchen lauschen, die all ihr Geld für vornehme Kleider ausgegeben hatten, um einen Mann zu beeindrucken. Mat kam gut bei der Geschichte weg. Verdammt sei er! Ein angenehmer junger Bursche, wenn Frau Anan nicht verheiratet gewesen wäre, ein wunderbarer Tänzer mit nur einer Spur Verschmitztheit. Alle Frauen lachten. Sie und Elayne jedoch nicht. Nicht die geistlosen kleinen Schwärmerinnen – dieses Wort hatte sie gebraucht –, die keine Kupfermünze mehr besaßen, weil sie hinter einem Mann hergejagt waren, hirnlose Tolpatsche, die hätten betteln oder stehlen müssen, wenn Frau Anan nicht jemanden wüsste, der ihnen vielleicht Arbeit in der Küche gäbe.
»Sie braucht nicht an jeder Absteige in der Stadt stehen zu bleiben«, grollte Nynaeve, während sie vom Gasthaus Gestrandete Gans fortgingen, wo sie zusammen mit einer Wirtin, die trotz des bescheidenen Namens große Granate an ihren Ohren trug, drei langatmige Geschichten anhören mussten. Frau Anan blickte jetzt kaum noch einmal zurück, um nachzusehen, ob sie ihr folgten. »Ihr müsst erkennen, dass wir an solchen Orten niemals unsere wahren Gesichter zeigen dürfen!«
»Das ist vermutlich genau der Punkt«, sagte Elayne eisig. »Nynaeve, wenn du uns einem Wildschwein hinterherlaufen lässt …« Es war nicht nötig, die Drohung zu beenden. Mit Birgittes und Aviendhas Unterstützung – und sie würden helfen – konnte Elayne ihr das Leben schwer machen, bis sie zufriedengestellt war.
»Sie werden uns geradewegs zu der Schale bringen«, beharrte sie und verscheuchte einen Bettler mit einer schrecklichen purpurfarbenen Narbe, die ein Auge unkenntlich
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