Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
sie in gewisser Weise auch, aber diese Cairhiener und Tairener hatten ihr Treue geschworen – sie nannten es den Wassereid, in versuchter Nachahmung der Aiel –, und dadurch waren sie ihre Leute. Untereinander nannten sie ihre Gemeinschaft Cha Faile , die Klaue des Falken, hatten aber die Notwendigkeit eingesehen, dies geheim zu halten. Sie waren nicht in jeder Beziehung Narren. Tatsächlich waren sie den jungen Männern und Frauen, mit denen Faile aufgewachsen war, in mancherlei Hinsicht gar nicht so unähnlich.
Jene, die sie heute Morgen ausgesandt hatte, waren gerade zurückgekehrt, denn die Frauen unter ihnen wechselten soeben die aus Notwendigkeit getragene Kleidung. Selbst eine wie ein Mann gekleidete Frau hätte in Bethai Aufmerksamkeit erregt, ganz zu schweigen von fünf. Auf der Lichtung wirbelten Röcke und Mäntel, Hemden und Hosen umher. Es machte den Frauen scheinbar nichts aus, vor den andern, einschließlich den Männern, unbekleidet zu sein, da es den Aiel offensichtlich nichts ausmachte, aber ihre Eile und ihr heftiges Atmen straften sie Lügen. Die Männer regten sich unbehaglich und wandten die Köpfe, hin- und hergerissen zwischen den Möglichkeiten, anstandshalber fortzublicken oder hinzusehen. Faile hielt ihr Gewand fest über ihrem Nachthemd geschlossen. Sie hätte sich nicht weiter anziehen können, ohne Perrin aufzuwecken, aber sie behauptete nicht, sich wohlzufühlen. Sie war keine Domani, die ihre Gefolgsleute im Bad empfing.
»Verzeiht unsere Verspätung, meine Lady Faile«, schnaufte Selande, während sie ihren Mantel anzog. Die kleine Frau sprach mit scharfem cairhienischem Akzent. Sie war selbst für eine Cairhienerin nicht groß, vermittelte jedoch in der Neigung ihres Kopfes und der Haltung ihrer Schultern glaubwürdigen Stolz und eine angemessene Kühnheit. »Wir wären schon eher zurückgekehrt, aber die Torwächter wollten uns nicht hinauslassen.«
»Sie wollten Euch nicht hinauslassen?«, fragte Faile scharf. Wenn sie es nur mit eigenen Augen hätte sehen können, und nicht nur diese Frauen. Wenn Perrin nur sie anstatt dieses Frauenzimmers hätte gehen lassen. Nein, sie würde nicht über Berelain nachdenken. Es war nicht Perrins Schuld. Das sagte sie sich zwanzigmal am Tag, wie ein Gebet. Aber warum war der Mann so blind? »Mit welcher Begründung wollten sie Euch daran hindern?« Sie schnaubte verärgert. Schwierigkeiten mit dem Ehemann sollten den Ton, den man gegenüber seinen Untergebenen anschlug, nicht beeinflussen.
»Mit nichts Wichtigem, meine Lady.« Selande schloss ihren Schwertgürtel und richtete ihn. »Sie ließen einige Burschen vor uns mit ihren Wagen passieren, ohne sie eines zweiten Blickes zu würdigen, aber sie wollten Frauen nicht ohne Weiteres in die Nacht hinausgehen lassen.« Einige der anderen Frauen lachten, und die fünf Männer, die mit nach Bethai gegangen waren, regten sich unbehaglich, zweifellos, weil man sie nicht als ausreichenden Schutz angesehen hatte. Die restlichen Cha Faile bildeten hinter jenen zehn einen dichten Halbkreis, beobachteten Faile genau und hörten aufmerksam zu. Mondlicht beschien ihre Gesichter.
»Erzählt mir, was Ihr gesehen habt«, befahl Faile in jetzt ruhigerem Tonfall. Viel besser.
Selande berichtete kurz, und trotz Failes Wunsch, selbst gegangen zu sein, musste sie zugeben, dass sie fast so viel gesehen hatten, wie sie sich nur hatte wünschen können. Die Straßen von Bethai waren selbst zur geschäftigsten Stunde des Tages fast leer. Die Leute blieben so weit wie möglich in den Häusern. Es wurde etwas Handel getrieben, aber nur wenige Händler wagten sich in diesen Teil Ghealdans, und es wurde kaum genug Nahrung vom Land hereingebracht, um alle zu ernähren. Die meisten Stadtbewohner waren wie betäubt, hatten Angst vor dem, was außerhalb der Mauern lag, und versanken immer tiefer in Teilnahmslosigkeit und Verzweiflung. Alle hielten aus Angst vor den Spionen des Propheten den Mund und – aus Angst davor, für Spione gehalten zu werden – auch die Augen geschlossen. Der Prophet besaß starke Wirkung. Beispielsweise waren alle Taschendiebe und Straßenräuber aus Bethai verschwunden, auch wenn unzählige die Hügel durchstreiften. Es hieß, die Strafe des Propheten für einen Dieb wäre das Abschlagen der Hände. Obwohl das für seine eigenen Leute anscheinend nicht galt.
»Die Königin zeigt sich jeden Tag in der Stadt, um den Leuten Mut zu machen«, sagte Selande, »aber ich glaube nicht, dass es viel
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