Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
wahrhaftig darüber.
Egwene empfand große Erleichterung, als sich der Zelteingang kurzzeitig nach innen wölbte und jemanden ankündigte, der genug wusste, um dort nicht einzutreten, wo ein Schutz bestand. Sie wollte wirklich nicht hören, wohin Siuans Humor noch führen würde!
Sobald Egwene den Schutz losließ, trat Sheriam ein, begleitet von einem Luftzug, der zehnmal kälter schien als zuvor. »Es ist an der Zeit, Mutter. Alles ist bereit.« Ihre schräg stehenden Augen waren geweitet, und sie leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
Siuan erhob sich und nahm ihren Umhang von Egwenes Feldbett, hielt dann aber in ihrer Bewegung, ihn sich um die Schultern zu legen, inne. »Ich habe die Drachenfinger bereits im Dunkeln umsegelt«, sagte sie ernst. »Und habe zusammen mit meinem Vater einen Löwenfisch mit dem Netz gefangen. Es ist möglich.«
Sheriam runzelte die Stirn, als Siuan hinauseilte und weitere Kälte hereinließ. »Manchmal denke ich …«, begann sie, aber was immer sie manchmal dachte, teilte sie Egwene nicht mit. »Warum tut Ihr das, Mutter?«, fragte sie stattdessen. »Euer Verhalten heute am See und jetzt die Einberufung des Saals. Und warum habt Ihr uns den ganzen gestrigen Tag damit verbringen lassen, mit jedermann, der uns begegnete, Gespräche über Logain zu führen? Ich bin der Ansicht, dass Ihr es mir erklären solltet. Ich bin Eure Bewahrerin der Chroniken. Ich habe Treue geschworen.«
»Ich werde Euch sagen, was Ihr wissen müsst«, erwiderte Egwene und warf sich den Umhang um die Schultern. Es war nicht nötig zu sagen, dass sie einem erzwungenen Schwur, selbst dem einer Schwester, keineswegs traute. Und Sheriam könnte einen Grund finden, trotz des Schwurs dem Falschen etwas zu verraten. Aes Sedai waren immerhin dafür bekannt, sich bei ihren Worten Hintertürchen offenzulassen. Sie glaubte nicht wirklich, dass das geschehen würde, aber sie durfte, genau wie bei Lord Bryne, nicht einmal kleine Risiken eingehen, es sei denn, sie war dazu gezwungen.
»Ich muss Euch sagen«, sagte Sheriam verbittert, »dass morgen entweder Romanda oder Lelaine wohl Eure Bewahrerin der Chroniken sein wird und ich Buße tun werde, weil ich den Saal nicht gewarnt habe. Und ich glaube, Ihr werdet mich in diesem Fall trotzdem beneiden.«
Egwene nickte. Das war nur allzu gut möglich. »Wollen wir gehen?«
Die Sonne stand als rote Scheibe über den Baumwipfeln im Westen, und ein unheimliches Licht spiegelte sich auf dem Schnee. Diener verbeugten sich schweigend oder vollführten still Hofknickse, als Egwene vorüberging. Ihre Mienen waren besorgt oder ausdruckslos. Diener konnten die Stimmungen ihrer Dienstherren fast ebenso schnell erkennen wie Behüter.
Zunächst war nicht eine Schwester zu sehen, doch dann waren alle da, eine große Versammlung rund um einen auf der einzigen ausreichend großen freien Flache des Lagers errichteten Pavillon, die von den Schwestern genutzt wurde, um zu den Taubenschlägen in Salidar zu gleiten und mit den Berichten der Augen-und-Ohren zurückzureisen. Das große, häufig geflickte schwere Segeltuch war nicht leicht zu errichten gewesen. Der Saal war in den vergangenen zwei Monaten sehr häufig ähnlich wie am gestrigen Morgen zusammengetroffen oder hatte sich in eines der größeren Zelte gedrängt. Der Pavillon war erst zweimal errichtet worden, seit sie Salidar verlassen hatten. Beide Male für eine Gerichtsverhandlung.
Als die Schwestern Egwene und Sheriam herannahen sahen, flüsterten jene im Hintergrund mit den vorderen, und es bildete sich eine Gasse, um sie hindurchzulassen. Ausdruckslose Augen beobachteten die beiden, ohne einen Hinweis darauf zu geben, ob die Schwestern wussten oder auch nur erahnten, was geschehen würde. Ohne einen Hinweis darauf, was sie dachten. Schmetterlinge flatterten in Egwenes Bauch. Eine Rosenknospe. Ruhig.
Sie betrat die ausgelegten Teppiche mit bunten Blumen und einem Dutzend weiteren Mustern und schritt zwischen dem Kreis der aufgestellten Kohlepfannen hindurch. Sheriam ergriff das Wort. »Sie kommt. Sie kommt …« Es war kaum verwunderlich, wenn sie etwas weniger eindrucksvoll klang als gewöhnlich, ein wenig nervös.
Die polierten Bänke und die mit Tüchern abgedeckten Podeste vom See waren erneut aufgestellt. Sie bildeten einen weitaus formelleren Anblick als das nicht zueinanderpassende Gewirr von Stühlen, das bisher verwendet worden war. Grüne, Graue und Gelbe auf einer Seite, Weiße, Braune und Blaue auf der
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