Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
Bogenschütze den Pfeil abschoss, flog fast zu seinen Füßen ein Schwarm grau gefiederter Wachteln auf, die schrille Schreie ausstießen. Dies genügte nicht, einen erfahrenen Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen, und tatsächlich verzog der Bursche nur um Haaresbreite. Rand spürte den Luftzug des vorüberfliegenden Pfeils an seiner Wange. Plötzlich trafen faustgroße Feuerkugeln den Bogenschützen. Er schrie auf, als sein Arm fortgeschleudert wurde, dessen Hand noch immer den Bogen hielt. Eine weitere Feuerkugel trennte sein linkes Bein am Knie ab, und er fiel schreiend hin.
Rand beugte sich aus dem Sattel und übergab sich. Sein Magen schien alle Mahlzeiten ausstoßen zu wollen, die er jemals zu sich genommen hatte. Das Nichts und Saidin entzogen sich ihm schlagartig. Es war fast mehr, als er ertragen konnte, ohne aus dem Sattel zu fallen.
Als er sich wieder aufrichten konnte, nahm er das weiße Stofftaschentuch entgegen, das Bashere ihm schweigend reichte, und wischte sich den Mund ab. Der Saldaeaner runzelte besorgt die Stirn, wozu auch aller Grund bestand. Rands Magen wollte sich nicht beruhigen. Er dachte, dass er sehr blass sein musste. Er atmete tief ein. Saidin auf diese Art zu verlieren konnte einen Mann umbringen. Aber er spürte die Quelle noch immer. Zumindest hatte Saidin ihn nicht ausgebrannt, und er konnte wieder richtig sehen. Da war nur ein Davram Bashere. Aber die Übelkeit wurde mit jedem Ergreifen Saidins schlimmer.
»Sehen wir einmal nach, ob von dem Burschen genug übrig geblieben ist, dass man mit ihm reden kann«, sagte er zu Bashere. Dem war jedoch nicht so.
Rochaid kniete neben dem Toten und durchsuchte ruhig den zerrissenen blutgetränkten Mantel. Ein Arm und ein Bein fehlten, außerdem wies der Bursche noch ein geschwärztes Loch von der Größe seines Kopfes in der Brust auf. Es war Eagan Padros. Seine blicklosen Augen starrten überrascht gen Himmel. Gedwyn ignorierte den Körper zu seinen Füßen und betrachtete stattdessen Rand ebenso kalt wie Rochaid. Beide Männer hielten Saidin fest. Überraschenderweise stöhnte Lews Therin nur.
Flinn und Narishma galoppierten mit lautem Hufgeklapper den Hang hinauf, gefolgt von fast einhundert Saldaeanern. Als sie näher kamen, konnte Rand die Macht in dem bereits ergrauenden älteren und in dem jüngeren Mann spüren, vielleicht so viel, wie sie halten konnten. Beide hatten seit den Brunnen von Dumai an Stärke hinzugewonnen. So war das bei Männern. Frauen schienen langsam stärker zu werden, aber bei Männern geschah dies abrupt. Flinn war stärker als Gedwyn oder Rochaid, und Narishma stand ihm nicht viel nach. Im Moment zumindest, denn man konnte nicht wissen, wie es enden würde. Aber keiner von ihnen reichte auch nur annähernd an Rand heran. Jedenfalls noch nicht. Man konnte nicht wissen, was die Zeit bringen würde. Nicht das Grauen.
»Nur gut, dass wir beschlossen haben, Euch zu folgen, mein Lord Drache.« Gedwyns Stimme klang besorgt und mied jeden Anflug von Hohn. »Habt Ihr heute Morgen einen empfindlichen Magen?«
Rand schüttelte den Kopf. Er konnte den Blick nicht von Padros’ Gesicht abwenden. Warum? Weil er Illian erobert hatte? Weil der Mann ›Lord Brend‹ treu gewesen war?
Mit einem lauten Ausruf riss Rochaid einen Lederbeutel aus Padros’ Manteltasche und stülpte ihn um. Schimmernde Goldmünzen ergossen sich klingend auf den Felsenboden. »Dreißig Kronen«, grollte er. »Kronen aus Tar Valon. Es besteht kein Zweifel, wer ihn bezahlt hat.« Er hob eine Münze auf und warf sie Rand zu, der aber keinerlei Anstalten machte, sie aufzufangen, sodass sie von seinem Arm abprallte.
»Es gibt viele Münzen aus Tar Valon«, bemerkte Bashere gelassen. »Die Hälfte der Männer in diesem Tal haben welche in ihren Taschen. Ich selbst auch.« Gedwyn und Rochaid fuhren zu ihm herum. Bashere lächelte hinter seinem dichten Schnurrbart oder zeigte zumindest die Zähne, aber einige der Saldaeaner regten sich unbehaglich in ihren Sätteln und betasteten ihre Gürteltaschen.
Oben in der Nähe des Passes rotierte ein Lichtschlitz zu einem Wegetor, und ein Shienarer mit Haarknoten in einem einfachen Mantel lief hindurch und zog sein Pferd hinter sich her. Anscheinend war der erste Seanchaner gefunden worden, und zwar nicht allzu weit entfernt, wenn der Mann so schnell zurück war.
»Es ist Zeit zu gehen«, wandte sich Rand an Bashere. Der Mann nickte, aber er regte sich nicht. Stattdessen betrachtete er prüfend die zwei
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